Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Gemeinderatssitzung am 14. Dezember 2017
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
1. Solide Finanzen – Vorsorgen statt Nachsorgen:
Es ist eigentlich ganz einfach!
Wir haben 3 Möglichkeiten, um an Geld für den städtischen Haushalt zu kommen:
1. Steuer erhöhen,
2. Schulden machen oder
3. Sparen und neue Einnahmen schaffen!
Die Möglichkeit 1 - also höhere Steuern - ist ausgereizt, nachdem die Gemeinderatsmehrheit eine Erhöhung der Gewerbesteuer erst vor knapp einem Jahr beschlossen hat. Bad Rappenau liegt hier bereits auf vorderen Plätzen im Vergleich zu anderen Gemeinden.
Möglichkeit 2, also mehr Schulden ist der Weg, der im vorliegenden Haushalt vor allem verfolgt wird:
Für 2018 ist eine historisch hohe Neuverschuldung von 6,4 Mio. Euro geplant. Zumindest ich kann mich in den letzten 2 Jahrzehnten als Gemeinderat an keine nur annähernd so hohe Neuverschuldung erinnern. Diese Neuverschuldung raubt dem nächsten Gemeinderat und unseren Kindern jeden Handlungsspielraum!
Das ist nur die eine Seite der Medaille: Auch unser Sparbuch ist leer gefegt: Die restlichen Rücklagen werden in 2018 aufgebraucht (1,65 Mio. Euro).
Klar – es wird viel investiert, aber im Haushalt fehlen auch einige zukünftige Investitionen:
Beispiel für die Sanierung des Rappsodie-Hallenbades. Für die Gymnasiale Oberstufe sind bis 2021 nur 1,3 Mio. Euro eingeplant. Das ist Schönfärberei: Für die notwendigen 9 Klassen sind mindestens 5 Mio. Euro notwendig. Bei Gebäuden für ebenfalls denkbare 12 Klassen geht es schon in Richtung 7 Mio. Euro. (Das sind keine Fantasiezahlen, sondern pauschale Standardwerte für entsprechende Schulbauten.)
Alles in allem keine gute Ausgangsbasis für einen neuen Oberbürgermeister, der sich schon mal über eine Sparkommission Gedanken machen sollte.
Für uns von der ÖDP bleibt da nur diese Möglichkeit 3: Sparen!
Oder um es mit den Worten von Stadtkämmerin Tanja Schulz zu sagen: „Wir müssen mehr Machbares von Wünschenswertem trennen. Hierzu ist eine schonungslose Aufgabenkritik notwendig!“
Wir fragen uns allerdings, ob dieser Appell schon bei allen in der Stadtverwaltung und im Gemeinderat angekommen ist?
Beispiele:
- Feuerwehrhaus Abteilung Süd:
Beim Feuerwehrgerätehaus Süd sind wir 2014 mit einer ersten Schätzung von 1,4 Mio. Euro gestartet. Im Sept. 2017 waren wir bei Kosten von 4,75 Mio. Euro. (Ähnlichkeiten mit Gymnasiale Oberstufe sind rein zufällig!)
Kostenerhöhungen durch neue Vorschriften und schlechte Ausschreibungsergebnisse sind nachvollziehbar.
Nicht nachvollziehbar ist für uns, dass dann noch zusätzlich eine nicht geplante Leuchtreklame für knapp 20 000.- Euro Mehrkosten drauf gesetzt wird. Wohlgemerkt für ein Feuerwehrhaus in einer „Sackgasse“ am Ende eines Gewerbegebietes!
- Kennenlernen-Workshop
Wir haben nichts dagegen, wenn der neue Oberbürgermeister und die Amtsleiter und Stellvertreter sich zu einem Workshop zurückziehen.
Dass diese einmalige Aktion dann 30 000.- Euro kosten soll, ist für uns nicht nachvollziehbar.
- Ausstattung der Grund(!)schulen mit Smartboard:
Nur für die Ausstattung der Grundschulen mit Smartboards und Notebooks geben wir pro Jahr über 100 000.- Euro aus. Ohne jeden nachgewiesenen Nutzen haben wir hier eine neue finanzielle Dauerbelastung eingeführt!
Im Gegenteil: Eine Studie der Bayerischen Wirtschaft belegt: Der Einsatz von Computern wohlgemerkt in Grundschulen führt zu signifikant geringeren Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften. Andere Schulen schmeißen die Smart-Boards auf den Müll und verwenden wieder Beamer mit Dokumentenkameras. „Das ist robuster und wir können in die Gruppe reinschauen,“ so der Rektor der Elly-Knapp-Gemeinschaftsschule in Heilbronn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns nicht gleich jedem neuen Trend hinterherspringen. Gerade dann, wenn rein wirtschaftliche Interessen großer Firmen mit entsprechend großen Werbeetats dahinter stehen.
Das sage ich, weil schon wieder das nächste Fass aufgemacht werden soll: Notebooks statt Papier für die Gemeinderäte. In Sinsheim kostete die Erstausstattung 75 000.- Euro, bei bisherigen Kopierkosten von 10 000 Euro pro Jahr. (RNZ, 26.7.2017). Dazu kommen die Kosten für Schulungen, Software und Support von gut 20 000.- pro Jahr. Da brauche ich keinen Computer, um auszurechnen dass sich die bisherigen Kosten mindestens verdreifachen!
Wo sehen wir von der ÖDP weiteres Einsparpotential?
- Thema: Raummanagement:
Viele städtische Gebäude und Räume werden oft nur wenige Stunden pro Tag oder sogar pro Woche benutzt.
Beispiel: Wasserschloss, Kulturhaus, Rathaus-Sitzungssaal, Klassenzimmer, Jugendhaus, Verwaltungsstellen.
Anderseits haben wir an vielen Stellen Engpässe, wie bei der Kinderbetreuung (u. a. Kernzeit) oder bei Räumen für Vereinsaktivitäten.
Werfen wir die Räume mal alle in einen Topf und schauen – ohne Scheuklappen, ob hier nicht Synergie, Mehrfachnutzungen gefunden werden können!
Wieso sollte die neue Mensa nicht auch für außerschulische Abendveranstaltungen genutzt werden?
Warum sollte eine Firma nicht einmal den Sitzungssaal für eine Präsentation mieten können!?
(Wenn die Mikroanlage mal wieder geht!)
Wichtig: Ins Wasserschloss sollte wieder eine Gastronomie. Das führt zu Mieteinnahmen, passt gut zu den sehr guten Kunstausstellungen und verhindert Vandalismus im Schlosspark.
- Gebäudesanierung -> Energieeinsparung
Bei der Gebäudesanierung sollten wir nicht sparen, da dies langfristig nur noch mehr Ausgaben verursacht. Dabei gilt es, Fördermittel für energetische Sanierungen zu erschließen.
Diese Empfehlungen der Klimaschutz und Energieagentur in Karlsruhe (KEA) für Kirchardt im Rahmen einer aktuellen Beratung gelten genauso für Bad Rappenau. Bürgermeister Gerd Kreiter will entsprechende Schritte einleiten. (KST 28.1.2017)
Noch ein Beispiel aus Ilsfeld. Die Gemeinde nutzt hier die Abwärme des Abwassers.
Bei der Kanal-Sanierung in der Salinenstrasse sollte so eine Abwärmenutzung eingebaut werden, da hier das warme Abwasser sämtlicher Kliniken und des Rappsodie durch läuft!
- Kameraüberwachung: Fußgängerunterführung und Personenaufzüge am Bahnhof
Bei einer Umfrage der Kraichgau Stimme waren 94% für die Kamera-Überwachung beim Fahrstuhl am Salinensteg. Wir von der ÖDP denken, dass diese Zustimmung bei der Fußgängerunterführung am Bahnhof genauso eindeutig wäre.
Obwohl im letzten Haushalt Mittel für eine Kameraüberwachung eingestellt waren, ist nichts passiert – außer dass die Schmierereinen wieder zugenommen haben, was dann wieder mehr Geld für die Beseitigung kostet.
- Gegen das Insektensterben durch mehr Blumenwiesen
Nun ist es wissenschaftlich erwiesen: In Deutschland sinkt die Zahl der heimischen Insekten in einem sehr dramatischen Ausmaß (teilweise bis zu 75% in den letzten 25 Jahren.)
Bei 42 ha Park- und Grünanlagen mit über 200000.- Euro Aufwand nur für das Mähen der Rasenflächen könnte durch die teilweise Anlage von Blumenwiesen der Pflegeaufwand deutlich reduziert werden. Zum Nutzen der Bienen und anderer Insekten.
2. Nachhaltiger Verkehr:
2.1 Unterführung: Bad Rappenau bleibt oben!
Für uns von der ÖDP ist eines sicher: In den nächsten 10 Jahren fährt kein Fahrzeug in eine Unterführung „Hinter-dem-Schloss“!
Die Bahn wird das Projekt so schnell nicht unterstützen:
Ab 2019 bedient die Abellio GmbH – ein Konkurrent der Dt. Bahn – die Strecke. Zweitens: Das schwarze Loch Stuttgart21 verschlingt eine Milliarde nach der anderen. Die Bahn hat gar nicht mehr das Geld weitere, auch kleinere Löcher aufzureißen.
Fazit:
Die bisherige Fixierung der letzten Verkehrskonzepte rein auf die Unterführung uns nichts gebracht!
Wir brauchen ein neues, umfassendes Verkehrskonzept, inklusive Rad- und Fußgängerverkehr. Die Verwaltung hat dies für 2018 im Konsens mit den anderen Fraktionen zu gesichert. Deshalb haben wir unsere Anträge zur Verkehrslenkung („Lichtzeichen zur Anzeige des Schrankenstatus“, „Hinweisschilder zu den Einkaufsmärkten“) zunächst zurückgestellt.
Wir brauchen neue, kreative Lösungen zur Verbesserung der Luftqualität, sonst drohen uns zum Schluss noch Fahrverbote wie in Stuttgart.
2.2 Anbindung Schwaigerner Straße (Kernort Richtung Bonfeld, K2120) an die Südtangente (L530)
Eine solche alternative Maßnahme ist die Anbindung der Schwaigerner Straße an die Südtangente. Dies sorgt durch die dann mögliche Umfahrung der Innenstadt für eine deutliche Verkehrsreduktion in der Wimpfner- und Raiffeisenstraße und dadurch für kürzere Staus an der Schranke.
Unser neuer Oberbürgermister muss beim Regierungspräsidium Stuttgart (fast) täglich auf der Matte stehen, damit das Projekt schnellst möglich gestartet wird. Herr Frei, sprechen Sie unseren Regierungspräsidenten bei Ihrer Einführung im Kurhaus gleich darauf an!
3. Belebung der Innenstadt (Fußgängerzone)
Die Belebung der Innenstadt wurde während des OB-Wahlkampfes immer wieder von der Bevölkerung angesprochen. Also für alle ein wichtiges Thema!
Enttäuscht sind wir deshalb, dass die Verwaltung unsere Anträge vom letzten Jahr – trotz Zusage - nicht behandelt hat.
So stellen wir die Anträge halt zum 2. Mal:
- Wir wollen eine Fußgängerlenkung vom Busbahnhof zur Fußgängerzone erreichen. Dazu sollte eine Werbetafel beim Busbahnhof aufgestellt werden, die auf die Firmen und Geschäfte der Innenstadt hinweist.
- Wir brauchen neue Attraktionen für Kinder und Erwachsene, um die Aufenthaltsqualität gerade auf dem Kirchplatz zu erhöhen. Durch die Einkaufsmärkte in der Raiffeisenstraße und das Stadtkarre ist der Kirchplatz in eine Randposition gerutscht.
Deshalb unsere Anträge zwischen Stadteil-Brunnen und evangelischer Kirche Wasserspiele, Spielgeräte für Kinder einzurichten.
3.1 Ein Bürgerbus für weniger als die Hälfte der Kosten für ein verregnetes Lichterfest:
„Ein Bürgerbus für weniger Kosten als für ein verregnetes Lichterfest“ – so habe ich das an gleicher Stelle vor 2 Jahren gesagt (Haushalt für 2016).
Jetzt muss ich korrigieren: Der Bürgerbus ist günstiger geworden: Jetzt kostet er weniger als die Hälfte eines verregneten Lichterfestes. 2016 hatte das Lichterfest ein minus von rund 70 000.- Euro eingefahren. (Ohne die BTB-Personalkosten!)
Wenn wir schon beim Vergleichen sind: Für 4 Wochen Weihnachtsbeleuchtung wurden zusätzlich 40 000.- Euro ausgegeben. Dazu kann man nun geteilter Meinung sein.
Dass die Beleuchtung im Gemeinderat eine deutliche Mehrheit gefunden hat, das hat uns von der ÖDP erstaunt! So eine Beleuchtung, so eine farbige Kirche im Kernort bringt doch den Ortsteilen rein gar nichts. War doch gerade dies das Hauptargument der Gegner eines Bürgerbuses!
Die Frage, wie viele neue Kunden durch die 40 000.- Euro teure Weihnachtbeleuchtung in die Geschäfte kommen, können wir nicht beantworten.
Sicher ist für uns nur: Mit einem Bürgerbus, kommen für deutlich weniger Geld mehr Kunden in die Innenstadt! 1000 Kurgäste in unseren Kliniken sind potentielle Kunden. Dabei sind die Alten- und Pflegeheime und die sonstige weniger mobile Bevölkerung gar nicht mitgerechnet!
Wohlgemerkt, dieser Kaufkraftzuwachs steht dann das ganze Jahr zur Verfügung, nicht nur 4 Wochen vor Weihnachten!
Da nun aus den Ortsteilen keine konstruktive Vorschläge zur Verbesserung ihrer Verkehrssituation kamen,
haben wir per Antrag die Verwaltung geben, sich mal Gedanken zu machen.
Wir würden hier ein PKW-Ruftaxi mit ehrenamtlichen Fahrern favorisieren, das zunächst mal Samstags zum Einsatz kommt. Wieso Samstags? Weil hier zig städtische Fahrzeuge unbeutzt in der Tiefgarage stehen.
4. Ausbau bei Kindergärten und Förderung von Tagesmüttern
Rund 120 Kindergartenplätze fehlen im Kernort - zumindest in den nächsten 3 Jahren. Solange wird es dauern bis der Kindergarten „im Kandel“ fertig bezogen werden kann.
Bei der Kleinkindbetreuung gibt es lang Wartezeiten.
Eppingen setzt hier schon länger auf Tagesmütter – auch zur Entlastung der öffentlichen Einrichtungen. Die Stadt Eppingen zahlt dabei 100 Euro monatlich pro Platz als quasi Grundeinkommen an die Tagesmütter, um so den Beruf attraktiver zu machen.
Das ist deutlich günstiger als ein Platz in einer öffentlichen Einrichtung und oft für viele Eltern deutlich flexibler.
5. Zum Schluss:
Abschließen möchten wir von der ÖDP mit einem Dank an all die Menschen, die sich ehrenamtlich für unsere Gesellschaft engagieren.
Die vielen Flüchtlingshelferinnen und Helfer, die Familien, die mit ihren unsichtbaren Leistungen, wie die Erziehung der Kinder, unser Arbeits- und Sozialsystem stabilisieren,
Diesen Menschen, die nie in einem Zeitungsbericht erwähnt werden, möchten wir Dank sagen.
Macht weiter so und steckt andere damit an!
Die ÖDP-Fraktion wird den Haushalt ablehnen.
Danke fürs Zuhören!