Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Gemeinderatssitzung am 20. Dezember 2018: Enkeltaugliche Politik für Bad Rappenau
1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
die Stadt Münster (in NRW) wurde kürzlich mit dem Nachhaltigkeitspreis 2019 ausgezeichnet.
Unter dem Motto „Wir machen Münster enkeltauglich!" werden alle kommunalen Entscheidungen hinterfragt, ob sie in 20 oder 30 Jahre immer noch zukunftsfähig für das Leben in der Stadt sind.
Getreu dem Spruch: „Wir haben die Erde von unseren Eltern nicht geerbt, sondern nur von unseren Enkeln geliehen!“
Wir von der ÖDP meinen, dass dieser Gedanke der Generationengerechtigkeit bei unseren Entscheidungen in Bad Rappenau eine zentrale Rolle spielen soll.
2. Solide Finanzen – Vorsorgen statt Nachsorgen:
Langfristig ist unser Haushalt nicht enkeltauglich.
Unser Sparbuch wurde 2018 durch eine Rücklagenentnahme von 6,3 Millionen Euro komplett leergeräumt. Oder um es mit den Worten unserer Kämmerin Tanja Schulz zu sagen: „Damit haben wir nichts mehr auf der hohen Kante, nur noch das gesetzliche Minimum.“ (= 1,1 Mio. Euro)
Und dies trotz 9 Jahren mit boomender Wirtschaft mit stetig steigenden Steuereinnahmen. Trotzdem sollen 2019 5,3 Mio. Euro an neuen Schulden aufgenommen werden. Doch diese Verschuldung ist gar nicht das eigentliche Problem.
Das Problem sind die in den nächsten 3 bis 5 Jahren zwingend notwendigen Investitionen, die noch nicht im Haushalt aufgeführt sind!
Zum Beispiel die Sanierung des Rappsodie (Hallenbad, Wellenbecken im Freibad) oder die Sanierung des Bauhofs zusammen mit dem Neubau eines Feuerwehrgerätehauses oder weitere Kinderbetreuungs-einrichtungen aufgrund neuer Baugebiete.
Allein für diese genannten Maßnahmen werden 25 Mio. Euro nicht reichen! Dafür müssen wir aber heute Rücklagen bilden, gerade jetzt wo die Wirtschaft brummt.
Denn mit neuen Schulden belasten wir nur unsere Kinder und Enkel! „Es dauert eine Generation, die Schulden abzubezahlen, die wir heute aufnehmen!“, um noch mal Tanja Schulz zu zitieren.
Wo sehen wir von der ÖDP weitere Potentiale für Einsparungen bzw. Mehreinnahmen:
- Anhebung der Vergnügungssteuer
Bei der Vergnügungssteuer waren wir mit 22 Prozentpunkten für Spielhallen einmal absoluter Spitzenreiter im Landkreis. Bei den aktuellen Haushaltsverabschiedungen hat Bad Friedrichshall auf 23 Punkte erhöht, Beilstein und Obersulm liegen sogar bei 25 Prozentpunkten. Wir bitten die Verwaltung, eine Erhöhung um mindestens einen Punkt (+70 000 Euro) Anfang 2019 zu prüfen.
Auch sollten wir die Hürden für das Glücksspiel möglichst hoch legen.
- Das Wasserschloss kostet uns pro Jahr über 60000.- Euro bei bescheidenen Einnahmen (Miete, Gebühren) von 5000.- Euro für ein Gebäude mit fast 1000 m2 Nutzfläche.
Das Wasserschloss sollte wieder an die Gastronomie vermietet werden. Diese könnte dann auch das Catering für mehr private Veranstaltungen im Schloss übernehmen. Eine Bewirtung würde auch den sehr guten Kunstausstellungen mehr Aufmerksamkeit verleihen und Vandalismus im Schlosspark verhindern.
- Brandschutz und kein Ende!
Nur für den Brandschutz im Gebäudebestand (ohne Neubauten) geben wir 2019 über 1 Mio. Euro aus. Im In den letzten Jahren war es noch deutlich mehr!
(Haushalt 2019, soweit separat aufgeführt: Grundschulen: 300 TEuro, Rathaus: keine separaten Angaben, Wasserschloss: 175 TEuro, Mühltalhalle: 80 Teuro, Bewegungsbad Obergimpern: 40 Teuro, KiGa Bonfeld: 15 Teuro, , Salinenklinik: 60Teuro, Schwärzberg-Klinik: 345 Teuro)
Wird hier immer nach günstigen, pragmatischen Lösungen gesucht? Notfalls auch mit einem Gegengutachten! Es gibt Vorschriften, aber es gibt immer einen Interpretationsspielraum!
Die geschätzten Brandschutz-Ausgaben von rund 10 Millionen Euro in den letzten 5 Jahren fehlen an anderer Stelle - beim Neubau von Schulen und Kindergärten, oder auch beim Neubau einer Feuerwehr im Kernort.
Für mehr Transparenz bitten wir die Verwaltung, die gesamten Brandschutzkosten (auch bei Neubauten) zukünftig separat im Haushalt auszuweisen.
- Kameraüberwachung: Fußgängerunterführung und Personenaufzüge am Bahnhof
Alles andere als einladend für einen Kurort ist unsere Fußgängerunterführung am Bahnhof. Vor einer Renovierung sollten aber Überwachungskameras installiert werden.
Seit dem Einbau einer Kamera am Salinensteg ist kein Vandalismus mehr aufgetreten und der Fahrstuhl funktioniert. Aufgrund defekter Fahrstühle sind an Bahnhof auch schon schwere Unfälle passiert, weil gehbehinderte Personen notgedrungen die Treppen benutzen mussten.
- Medienausstattung an Grundschulen
Viele großzügige Entscheidungen der Vergangenheit führen zu finanziellen Dauerbelastungen.
Unsere Grund(!)schulen wurden letztes Jahr mit Smartboards und Notebooks ausgestattet. Kosten jedes Jahr über 100 000.- Euro. Damit haben unsere Grundschulen deutlich mehr Smartboards und Notebooks pro Schüler als zum Beispiel das Gymnasium in Bad Wimpfen.
Dabei gibt keine einzige Studie, die irgendeinen konkreten Nutzen für den Lernerfolg – wohlgemerkt bei Grundschulen - belegt, aber wir müssen ja unbedingt „mit der Zeit gehen“.
- Digitaler Sitzungsdienst (iPads für alle), Mehrkosten von 62 000 bis 120 000.- Euro (in 5 Jahren)
Das war auch das immer wieder vorgetragene Argument für die Einführung von iPads für das Lesen der Gemeinderatsunterlagen. Einen wirklichen, konkreten Zusatznutzen - der mit dem bisherigen Ratsinformationssystem nicht auch geht - konnte uns noch niemand nennen.
Dazu muss man wissen, dass seit 5 Jahren ein etabliertes Ratsinformationssystem im Einsatz ist, aus dem alle Sitzungsunterlagen in elektronischer Form heruntergeladen werden können.
Trotzdem hatte der Gemeinderat mit knapper Mehrheit (16x Ja, 12x Nein) beschlossen, dass alle im Gemeinderat - ohne jede Ausnahme – auf ein iPad-Tablet-System umsteigen müssen.
Die Verwaltungs-Vorlage spricht von Mehrkosten von 62 000.- Euro (in 5 Jahren) gegenüber dem Papierversand. Wir gehen aufgrund der nicht berücksichtigten Betreuung von den doppelten Kosten aus.
Uns ist deutschlandweit kein Gemeinderat bekannt, bei dem gegen 40 Prozent der Gemeinderäte solch eine Zwangsdigitalisierung eingeführt wurde bzw. werden sollte.
Deshalb unsere Anträge, die eine individuell passende Lösung erreichen sollen und dabei noch Geld sparen.
So brauchen viele keinen Mobilfunk-Vertrag, weil die Unterlagen jederzeit von zu Hause aus runterladen werden können. (Einsparung: 1405.- pro Gemeinderat 5 Jahren).
Und einige brauchen gar keinen iPad und würden die Unterlagen selber ausdrucken. Das Drucken ist Mehraufwand im Vergleich zu heute. Die Kosten sollten daher ersetzt werden.
Trotz Bezahlung der Druckkosten ergeben sich auch hier Einsparung pro Gemeinderat 1567.- Euro in 5 Jahren. Die Verwaltung hat zugesichert, dass über unsere Anträge Anfang 2019 abgestimmt werden sollen.
- Gründung einer Bad Rappenauer Bürgerstiftung
Heilbronn, Bad Wimpfen, Brackenheim, Flein, Güglingen, Gemmingen, Lauffen, Obersulm, Weinsberg, Wüstenrot, Talheim … das sind nur einige der Gemeinden in Kreis Heilbronn, die eine Bürgerstiftung haben.
Aus der Rendite des Kapitals werden meist verschiedene gemeinnützige Projekt gefördert.
Bei den genannten Orten zeigt sich, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihr Geld zur Verfügung stellen, wenn sie von den Zielen und dem Wirken der Stiftung überzeugt sind.
Dies sind alles Gründe, weshalb sich die Stadt mit diesem Thema befassen sollte.
3. Energie und Geld sparen - Klima schützen
Beim Klimawandel scheint der Zug für unsere Enkel schon abgefahren zu sein, vielleicht sogar schon für unsere Kinder.
Dazu Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) - nicht gerade eine ausgemachte Umweltschützerin: „Wenn wir jetzt nichts gegen den Klimawandel unternehmen, werden wir in 50 Jahren getoastet, geröstet und gegrillt“.
Eine nachhaltige, regenerative Energieversorgung ist auch für solide Finanzen von zentraler Bedeutung. Da die fossilen Energieträger immer teurer und die regenerativen immer günstiger werden.
- Gebäudesanierung -> Energieeinsparung
Der städtische Gebäudebestand ist größtenteils überaltert und deshalb energetisch nicht mehr auf dem neusten Stand. Bei der Gebäudesanierung sollten wir nicht sparen, da dies langfristig nur noch mehr Ausgaben verursacht.
- Photovoltaikanlagen auf städtischen Dächern
Viele städtische Dächer sind schon seit 15 Jahren für Photovoltaikanlagen vermietet. Seitdem hat die Stadt rund 300 000 Euro an Mieten eingenommen.
Trotzdem gibt es weitere, neue Möglichkeiten:
Auf dem neuen Kindergarten „Am Kandel“ oder auf dem sanierten ehemaligen Hauptschulgebäude inklusive Mensaanbau, auf dem neuen Grundschulgebäude.
Seit fast einem Jahr prüft die Verwaltung, ob eine PV-Anlage für den neuen Kindergarten gemietet oder selber betrieben werden soll. Aufgrund der immer wieder vorgebrachten Überlastung der Verwaltung empfehlen wir, eine Mietlösung.
Wenn der Landkreis eine 200kWp (Kilowatt peak) Anlage bei der neuen Autobahnmeisterei in Bonfeld betreiben wird oder wenn die Stadt Eppingen eine 1,4 MWp (1,4 Millionen Kilowatt peak) Freiflächenanlage (auf 1,9 Hektar) plant, so sollten wir es in Bad Rappenau doch auch schaffen, die eine oder andere kleine PV-Anlage auf Dächer zu setzen.
4. Belebung der Innenstadt (Fußgängerzone)
Die ÖDP-Fraktion hat in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge zur Belebung der Innenstadt gemacht. Nicht umsonst war die Belebung der Innenstadt ja auch ein Thema des OB-Wahlkampfes.
Enttäuscht sind wir deshalb, dass sich hier - außer ein paar Blumenkübeln - nichts bewegt hat. Wir bitten, dieses Thema mit Priorität in 2019 konkret anzugehen. Wir brauchen hier ein Gesamtkonzept für den Marktplatz, um die Aufenthaltsqualität für Kinder und Erwachsene zu erhöhen.
5. Campingplatz bei den Solebohrtürmen
Um den Campingplatz bei den Solebohrtürmen ist es sehr ruhig geworden, nach der Vorstellung im Gemeinderat vor über einem Jahr. (November 2017).
Wir fragen uns, wie auch von CDU Sprecher Klaus Hocher formuliert: Kann ein Campingplatz dieser Größenordnung (300 Standplätze und 20 Vermiete-Einheiten, 82 000 Übernachtungen pro Jahr) ohne landschaftliche Höhepunkte (wie Seen, Berge) mit Gewinn betrieben werden?
Die gewünschte Besichtigung eines ähnlichen Campingplatzes - mit diesen Kriterien - hat bisher nicht stattgefunden.
Eines dürfte in Bad Rappenau aufgrund der Wohnungsnot sicher laufen: Die genannten Mietobjekte! Doch müssen wir in bester Lage im Kurgebiet, einen Mietwohnungsbau mit billigen Bauland subventionieren!?
Wir sind gespannt, ob uns noch jemand ein schlüssiges Konzept präsentiert.
6. Wohnraum für alle Einkommensgruppen
Die Nachfrage nach Wohnraum besonders im Kernort ist ungebrochen, besonders im unteren Preissegment.
Oberbürgermeister Frei hat sich - lobenswerter Weise - für die Bebauung von städtischen Grundstücken mit günstigen Mietwohnungen stark gemacht. Wir von der ÖDP waren dann mehr als überrascht, als die Vorschläge vom Gemeinderat abgelehnt wurden. Die aktuelle Wohnungsnot sorgt für eine enorme Spaltung der Gesellschaft mit großer sozialer Sprengkraft.
Deshalb müssen wir mehr gegen die Wohnungsnot unternehmen:
- Prämien bei Vermietung von leerstehenden Wohnungen
Aus Untersuchungen in anderen Städten ist bekannt, dass bis zu 5% der nutzbaren Wohnungen leer stehen. Das wären für Bad Rappenau über 400 Wohnungen!
Verschiedene Gemeinden zahlen für die Vermietung einer leerstehenden Wohnung Prämien.
Manche Städte führen Umfragen durch, um die Gründe für den Leerstand zu erfahren. Die Stadt kommt so ins Gespräch mit potentiell vermietungsbereiten Eigentümern.
- Als wirkungsvoll haben sich auch sogenannte Mietmanager bei den Gemeinden erwiesen, die die Vermieter beraten und Kontakte zum Beispiel zu anderen sozialen Einrichtungen vermitteln.
- Auch die Verdichtung bei bestehender Bebauung wie der Ausbau von Dachgeschossen, die Überbauung von Parkplätzen mittels Häuser auf Stelzen, usw. sollte angedacht werden.
7. Zum Schluss:
Das Wort des Jahres 2018 ist Heißzeit. Die Gesellschaft für deutsche Sprache thematisiert damit nicht nur einen extremen heißen Sommer, sondern auch den globalen Klimawandel. Heißzeit verweist auch auf eine sich ändernde, neue Klimaperiode, in Analogie zu Eiszeit.
Würden wir von der ÖDP nun das Wort des Jahres für Bad Rappenau wählen, so wäre dies „Archäologische Rettungsgrabung“. Aufgrund entsprechender Vorschriften der Landesregierung hat sich unser Baugebiet „Waldäcker“ in Babstadt deshalb bisher um 16 Monate verzögern, bei bisherigen Kosten von 1,4 Millionen Euro. Das sind rund 40.- Euro pro Quadratmeter Bauland! Bei so viel nutzloser Verschwendung von Steuergeldern sollten wir den Vorschlag von CDU-Sprecherin Anne Köhler, eine Klage gegen das Land anzustreben, ernsthaft prüfen.
Die ÖDP-Fraktion wird dem Haushalt zustimmen.
Danke fürs Zuhören!