Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Gemeinderatssitzung am 24. Febr. 2022: "Warten beim Klimaschutz wird unbezahlbar!"
1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Frei, meine Damen und Herren,
Je länger man zögert, desto abrupter werden die notwendigen Einschnitte sein! (so die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kempfert)
Das gilt nicht nur beim Zahnarzt, sondern ganz besonders für den Klimawandel!
Das Unterschied zum Zahnarzt ist nur, dass die Auswirkungen unseres Nicht-Handelns erst für die nächste Generation mit voller Vehemenz zuschlagen.
So warnt kürzlich der Ärztetag eindringlich: Der Klimawandel überschreitet die Dimension der Corona-Pandemie bei weitem!
Besonders dann, wenn Klima-Kipp-Punkte überschritten werden: Wenn die Permafrostböden auftauen, die Eiskappen schmelzen, dann kommt es zu einer nicht mehr zu stoppenden Entwicklung und zum Kollaps durch einen Temperaturanstieg von über 5 °C.
Das ist wie bei einer Wippe: Zunächst passiert lange nichts, aber irgendwann ist der Kipppunkt überschritten.
Dies wollen wir mit einer mechanischen Wippe darstellen. Gleichzeitig ist die Wippe auch noch ein Zeitmesser mittels einer Sanduhr: Sie sollte nach genau 10 Minuten, am Ende der Redezeit kippen! Schauen wir mal, ob der Sand hier richtig durchläuft, sonst dauert es vielleicht etwas länger ….
2. Geld sparen und das Klima schützen
Auf jeden Quadratmeter in Baden-Württemberg schickt die Sonne pro Jahr so viel Energie, wie in 140 Liter Benzin enthalten ist. Mit einem Photovoltaik-Modul kann man gut 20 % davon, also 30 Liter ernten (ca. 260 kWh pro m2 und pro Jahr)!
Jedes gut isolierte Gebäude mit einer PV-Anlage auf dem Dach kann mehr Energie erzeugen, als es selbst verbraucht (inklusive der Heizung). Leider geschieht dies heute nur bei 10% der geeigneten Dächer. Hier fehlt bei vielen Eigentümern ein „Anschubser“, um aktiv zu werden.
Wir freuen uns, dass die Verwaltung ein PV-Förderprogramm mit jeweils 1000.- Euro für 25 Dächer aufgelegt hat.
Wir gehen davon aus, dass dies schnell vergriffen ist, deshalb unser Antrag, in 2022 weitere 25 PV-Anlagen zu fördern.
Ebenso sehen wir bei den städtischen Gebäuden noch ein großes Potential zur Photovoltaik-Nutzung, gerade in Verbindung mit der Elektromobilität.
Apropos Elektromobilität: Mit dem Jahres-Ertrag eines Quadratmeter-PV-Moduls können sie 2000 km mit einem Elektro-Golf fahren (Verbrauch: 12,5 kWh/100km).
Die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Kraichgau soll hier die noch freien Dächer mit PV belegen. Welche Dächer werden hier wann belegt?
Nachdem ja bereits im April 2019 der Beschluss gefasst wurde, geeignete Dachflächen an Betreiber von Photovoltaikanlagen zu vermieten.
Mit Sonnenergie machen wir uns unabhängig von den Öl- oder Gas-Lieferungen diverser totalitärer Regime. Heute finanzieren wir mit unserem Geld für Öl und Gas u. a. die enormen Rüstungsausgaben in Russland.
70% der russischen Staatseinnahmen kommen aus dem Energiegeschäften.
Diese selbstgeschaffene Abhängigkeit Deutschlands und der EU ist ein Resultat des viel zu schwachen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Solarstrahlung und Wind müssen als heimische Energie eben nicht importiert werden.
„Die Sonne schenkt uns Freiheit!“ wie Daniel Bannasch von MetropolSolar aus Mannheim es ausdrückt.
Preis für Klima-Helden (= vorbildliche Klimaschutzmaßnahmen)
Veränderungen beginnen immer damit, dass sie sichtbar werden! Deshalb schlagen wir einen Preis für „Klima-Helden“ vor. Das sind Betriebe, Kommunen, Schulen, Privatleute, die sich in Bad Rappenau aktiv für den Klimaschutz einsetzen. Dabei können wir akzeptieren, dass unser Antrag, einen solchen Preis einzurichten, in 2023 berücksichtigt wird - bei dem in Arbeit befindlichen Klimakonzept.
Mehrweg statt Einweg: Zuschuss für Mehrweg-Behälter
Die Gastronomie gehört sicher zu den am stärksten von der Pandemie gebeutelten Branchen. Vielerorts hat sich zum Glück ein Abhol- oder Lieferservice etabliert. Ab 2023 müssen die Gastronomen zwingend zur Müllvermeidung auch Mehrwegbehälter anbieten. Diese Einführung möchten wir von der ÖDP mit einem entsprechenden Antrag unterstützen.
Verschiedenen Städten (u. a. Brackenheim, Lauffen a. N., Eppingen) nutzen dies auch als Stadtmarketing-Maßnahme, zum Beispiel mit einem städtischen Logo auf den Behältern.
Ziel sollte dabei sein, dass in ganz Bad Rappenau das gleiche Mehrwegsystem zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel „Local to go“ in Brackenheim.
3. Nachhaltiger Verkehr
Wir hoffen auf eine schnelle Einführung eines Jobrads (also eines Dienstradmodells) für städtische Mitarbeiter/innen. Wir haben hier kein Antrag gestellt, da die Verwaltung eine Einführung plant.
Nebenbei werden die Krankheitstage durch Pendeln per Rad um ein Drittel reduziert (Quelle:VCD fairkehr).
Krebsbachtalbahn als einmalige Chance für Bad Rappenau, insbesondere für Obergimpern und Babstadt
„Das Ergebnis ist völlig offen“ – so titelte die RNZ (Rhein-Neckar-Zeitung) bzgl. der Meinung im Rappenauer Gemeinderat zur Krebsbachtalbahn. (1.2.2022, Zitat OB Sebastian Frei: „keine einheitliche Meinung“)
Hätten die Entscheidungsträger in Bad Rappenau vor über 20 Jahren so argumentiert, wie hier und heute gegen die Krebsbachtalbahn argumentiert wird, dann würde heute sicher keine Stadtbahn durch Bad Rappenau fahren!
Dabei war der alles entscheidende Kosten-Nutzen-Faktor damals deutlich schlechter bei 1,2. Im Vergleich dazu hat die Krebsbachtalbahn einen hervorragenden Wert von 1,43. D. h., dass jeder investierte Euro erzeugt einen Nutzen von 1,4 Euro.
Nicht umsonst hat das Land einer kompletten Finanzierung der laufenden Kosten zugestimmt.
Für unsere bisherige Stadtbahn zahlen wir übrigens über 200 000.- Euro im Jahr.
Die Stadtbahn ist ein Erfolgsmodell. Ich kenne keine Anlieger-Gemeinde, die in der Vergangenheit nicht profitiert und an Attraktivität zugelegt hat.
Eine Entscheidung gegen eine Anbindung an die Stadtbahn wäre beispiellos! Nach über 25 Jahren im Kreistag kann ich mich an keine solche Entscheidung im Landkreis Heilbronn erinnern.
Konkrete Vorteile:
- Die Fahrzeit vom Bahnhof in Bad Rappenau nach Obergimpern würde sich mit der Stadtbahn von heute knapp 20 Minuten (Bus über Siegelsbach und Vulpius-Wohngebiet) auf 5 bzw. 6 Minuten verkürzen.
- Die Fahrzeit von Babstadt nach Neckarbischofsheim würde sich halbieren: Von heute 33 Min. (aktuell die schnellste Verbindung) auf 14 Minuten.
- Er gibt jede Stunde eine durchgehende Verbindung nach Neckarsulm/Heilbronn und Neckarbischofsheim/Meckesheim.
- Die Attraktivität vom Obergimpern und Babstadt als Wohnort steigt, was auch zur Aufwertung der eigenen Immobilien beiträgt. Bad Rappenau als Bahnknotenpunkt wird aufgewertet.
- Die bessere Anbindung ist nicht nur für Eltern mit schulpflichtigen Kindern interessant (Stichwort: Einsparung Eltern-Taxi), sondern auch eine Mobilitätsgarantie für Ältere.
Die Einrichtung einer weiteren Stadtbahnlinie von Bad Rappenau nach Neckarbischofsheim ist eine einmalige Chance – auch für Bad Rappenau, insbesondere für Obergimpern und Babstadt. Deshalb sollten wir nicht jetzt – für immer - die Türe zuschlagen, sondern das aktuell vorliegende Konzept weiter optimieren und unsere Wünsche einbringen!
4. Immer mehr Baugebiete? Für eine behutsame Stadtentwicklung
Aktuell sind 8 neue Baugebiete geplant oder in Arbeit mit 450 neuen Bauplätzen.
Kandel (Kernort, Plätz ca.: 2x 71, I und II), Waldäcker (Babstadt, 66), Geisberg (Obergimpern, 23), Kobach (II, III; Grombach, 24 (nur II)), Boppengrund (Bonfeld, 63) , Halmesäcker, (Fürfeld, 60) und Neckarblick (Heinsheim, 32) und jetzt noch Mittlerer Flur (Zimmerhof), 40 (?).
Dies entspricht einem Flächenverbrauch von über 30 Hektar und einem Zuwachs von rund 1700 neuen Einwohnern, davon sind 750 Kindern!
(Zahlen des statistischen Landesamtes: pro Platz mit 2 Erwachsenen und 1,7 Kindern).
Sollte der Zuzug und der Bauboom weiter anhalten, so entsteht rein rechnerisch ein Bedarf von gut 8 Kandel-Kindergärten. (Kiga Kandel schafft Platz für 86 Kinder.)
Ein entsprechend großer Bedarf entsteht bei den Schulgebäuden.
Was heißt das für uns?
Wir müssen bei der Erschließung von Baugebieten einen Gang zurückschalten. Wir kommen sonst mit der Infrastruktur nicht mehr hinterher!
Wichtiger als immer neue Baugebiete ist für uns von der ÖDP, dass wir die bestehenden Gebäude und Infrastruktur auf den neusten Stand bringen.
Neben unzähligen Sanierungen im Bestand, haben wir hier zwei Großprojekte zu stemmen:
Den Neubau der Feuerwehr in der Raiffeisenstraße und den Neubau des Rappsodie-Hallenbades.
Nachdem bei beiden Mega-Projekten die Standortfrage geklärt ist, muss es zügig an die Umsetzung gehen.
Gerade beim Rappsodie kostet uns jedes Jahr Verzögerung 1,2 Millionen Euro mehr. Diese Mehrkosten setzen sich zusammen aus: Instandhaltung: 500 000.- Euro, Einnahmenverluste durch fehlende Becken: 250 000.- Euro, Einsparung Betriebskosten durch Neubau: 450 000.- Euro, nicht dabei: Preissteigerungen durch Inflation!.
5. Zum Schluss
Der Klimaforscher Prof. Schellnhuber schreibt in seinem Buch „Selbstverbrennung“: „Das Raumschiff Erde steuert geradewegs ins Feuer hinein.“ Allerdings sei noch nicht zu spät:
Für geeignete Maßnahmen gebe es noch einen Zeitraum von 10 Jahren, so Prof. Schellnhuber.
Wenn wir allerdings nicht wirklich zu einem Umdenken kommen (in Taten wohlgemerkt, und nicht in Worten), dann werden die gefürchteten Kipppunkte überschritten und es gibt kein Zurück mehr! Das ist wie bei dieser Wippe: Zunächst passiert lange nichts, aber irgendwann ist der Kipppunkt überschritten.
Vielen Dank Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.
Die ÖDP-Fraktion wird dem Haushalt zustimmen.