Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede zur Gemeinderatssitzung am 29. Febr. 2024 --- Die ökologische Nische verschwindet, das existenzielle Risiko der Klimakrise

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Frei, meine Damen und Herren,  
1. Einleitung
Was ist Ihre Wohlfühltemperatur? Haben Sie es lieber warm bei 25 Grad oder lieber kühler bei 20 Grad?
Die Frage hat einen ernsten Hintergrund:
Der Mensch braucht zum Leben und Überleben seinen optimalen Temperaturbereich, seine ökologische Nische. Außerhalb dieses Temperaturbereichs wird es zunächst ungemütlich und im Extremfall sogar lebensfeindlich.
Wenn nun durch die Klimakrise die Temperaturen ansteigen, fallen immer mehr Menschen aus diesem optimalen Temperaturbereich heraus.
Machen wir beim Klimaschutz weltweit so weiter wie bisher, so bedeutet das eine globale Erwärmung von knapp 3 Grad. Damit kann ein Viertel der Menschheit, dort wo sie heute sind, nicht mehr überleben.
Bei weniger Klimaschutz – und bei uns sieht es im Moment danach aus - kann mehr als die Hälfte der Menschheit in lebensfeindlichen Regionen landen (bis Ende des Jahrhunderts).
Diese Ergebnisse einer aktuellen Studie des Weltklimarates sind deprimierend, aber so ist die Lage eben. Die Studie bedeutet aber auch: Jede 0,1 Grad weniger bei der globalen Erwärmung rettet Millionen von Menschenleben!

(Quelle: Neue Studie vom Weltklimarat: Das existenzielle Risiko der Klimakrise (“Quantifying the human cost of global warming”), Wissenschafts-Podcast „Das Klima“ DK089, wissenschaftspodcasts.de/podcasts/das-klima/dk089-die-oekologische-nische-der-menschheit-und-das-existenzielle-risiko-der-klimakrise_8167416/)

Das heißt, der Klimaschutz muss zentraler Bestandteil jedes politischen Handels werden. Und das sofort, gerade auch weil Jahrzehnte der Vorwarnung einfach ignoriert wurden.

2. Voller Energie zu weniger (fossilem) Energieverbrauch!
Auch in Bad Rappenau wurden diese Warnungen vor einer Klimakrise viel zu lange ignoriert.
Das hat sich inzwischen geändert: So haben wir kürzlich unser Klimakonzept beschlossen.
Damit ist das Fundament für einen effektiven Klimaschutz gelegt. Darauf müssen wir nun schnell, ohne weiteres Zögern aufbauen.
Wir brauchen eine sabotagesichere, dezentrale, demokratische, friedenstiftende und klimaneutrale Energieversorgung.
Warum sabotagesicher?
Weil Hackerangriffe leichter Großkraftwerke lahmlegen, als viele Tausende dezentrale Einheiten.
Warum demokratisch?
Weil der fossile Lobbyismus unsere Demokratie zerstört. Die Bestechung der Ex-Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, durch die Ölscheichs von Katar (u. a.) ist nur ein Beispiel.
Warum friedenstiftend?
Weil mit dem Öl- und Gas-einnahmen weltweit Kriege und Terrorismus finanziert werden.
Warum klimaneutral?
Weil wir in Deutschland die Treibhausgas-Emissionen möglichst bis 2030 auf Null bringen sollten.

 Dabei ist das Potential alleine für die Photovoltaik(PV)-Nutzung riesig.
Klimakonzept Seite 151: „Die Untersuchung von 36 Nicht-Wohngebäuden der Stadt, auf deren Dächern noch keine PV-Anlagen installiert sind, ermöglicht eine Verdopplung der installierten Leistung auf etwa 1,5 MWp“
Nur durch diese Neuinstallation könnte rein rechnerisch die Hälfte des Stromverbrauchs der städtischen Liegenschaften gedeckt werden (1,5 Gigawattstunde von rund 2,8  GWh/pro Jahr).
Wenn wir aktuell 1 bis 2 Dächer pro Jahr mit PV belegen, so ist das besser als nichts, aber es wird 20 Jahre dauern, bis alle Dächer belegt sind. Das heißt, ich werde das hier im Gremium nicht mehr erleben.
Nach nunmehr 30 Jahren im Gemeinderat habe ich immer noch nicht verstanden, warum das bei uns so schwierig ist, eine Technik die sich seid Jahrzehnten bewährt hat, einfach anzuwenden!

Noch schlechter als bei der Stadt sieht es bei Privat- und Gewerbegebäuden aus.
Bei Privathäusern ist nur eines von 10 geeigneten Dächer mit einer PV-Anlage belegt.
Da kann man nur noch sagen:
Jammert nicht über die hohen Strompreise, sondern schaut euch mal eure „nackten“ Dächer an.
Für alle die noch zögern: Es ist wieder eine städtische Förderung geplant von rund 1000.- Euro für 25 Anlagen. (Vorausgesetzt die 25000.- Euro werden komplett für Dachanlagen verwendet.)
Dieses Programm muss auch dazu benutzt werden, in der Öffentlichkeit für Photovoltaik zu werben. Wir hoffen hier auf unseren neuen Klimaschutzmanager João Carlos De Oliveira Souza.

3. Immer mehr Baugebiete? Für eine behutsame Stadtentwicklung mit weniger Flächenverbrauch
Jedes Jahr ein neues Baugebiet - die Stadt Bad Rappenau fährt seit Jahren einen starken Wachstumskurs.
Doch die Nachfrage nach Bauplätzen ist eingebrochen.
Baugebiet zu erschließen, die dann viele Jahre leer stehen, ist reine Geldvernichtung. Bei Halmesäcker in Fürfeld oder Neckarblick in Heinsheim würde eine Verschnaufpause gut tun, auch für unsere mehr als ausgelasteten Kindergärten und Schulen.
Neuer Wohnraum kann auch durch Sanierungen u. a. im Ortskern in den Ortsteilen geschaffen werden, auch um Leerstände und damit Verfall zu verhindern.  

4. Belebung der Innenstadt (Fußgängerzone)
Nicht nur für unsere Kurgäste, sondern auch für die zunehmend älter werdende, weniger mobile Einwohnerschaft brauchen wir eine attraktive und lebendige Stadtmitte.
Ein Kirchplatz, der sich ohne jeden Schatten im Sommer auf weit über 40 Grad aufheizt, ist dabei nicht attraktiv.
Man muss da nur an die beiden letzten Stadtfeste denken. Der Kirchplatz war mittags wie ausgestorben.
Deshalb unserer wohl inzwischen 10. ÖDP-Antrag zur Attraktivierung der Stadtmitte. Seitens der Stadt sind nun Gehölzinseln mit schattenspendenden Bäumen geplant. Wir hoffen, dass diese kleine Maßnahme zeitnah umgesetzt wird. Wasserspiele für Kinder und Sonnensegel wären genauso sinnvoll.
Manchmal würde es schon reichen einfach nichts zu tun. Zum Beispiel keine der wenigen Bäume um den Kirchplatz zu fällen. Oder bei der sogenannten Gehölzpflege: Da sind von Hecken, die niemand stören oder behindern, nach einem radikalen Schnitt oft nur noch die Wurzel übrig. Wie die letzten Tage beim Kandelweg passiert.
Gerade für die Anpassung an den Klimawandel sind Grünflächen, Bäume und Büsche wegen ihrer Kühlungs- und Wasserrückhaltefunktion ein Schlüsselfaktor.
Bäume sind Klimaanlagen mit Blättern.
Am Ortsrand sind solche Grünstreifen nach dem freien Feld auch ein Windschutz.


5. Ausbau bei Kindergärten und Förderung von Tagesmüttern  
Rund 80 Kinderbetreuungsplätze fehlen im Kernort. U. a. aufgrund neuer Baugebiete hinken wir mit den Neubauten hinterher. Dabei sind zukünftig nicht mehr die Gebäude das Problem, sondern die Betreuung der Kinder durch qualifiziertes Personal.
Eine Alternative zu unseren öffentlichen Einrichtungen sind Tageseltern, ohne die wir in Bad Rappenau unseren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nicht erfüllen könnten.
Dabei sind Tageseltern für die Stadt deutlich günstiger als ein Platz in einer öffentlichen Einrichtung und für viele Eltern deutlich flexibler.
Die Anzahl der Tageseltern hat sich im letzten Jahr von 12 auf 7 praktisch halbiert.
Wir beantragen deshalb die Verdopplung des Zuschusses von 1 € auf 2 € pro Betreuungsstunde.
Dadurch soll ein zusätzlicher Anreiz für Tageseltern geschaffen werden, damit nicht noch weitere aufhören und möglichst neue anfangen. Weiterhin bitten wir die Stadt, die Einrichtung einer Großtagespflege positiv zu begleiten. Bei einer Großtagespflege können zum Beispiel 2 Tageseltern eine Wohnung mieten und dann bis zu 9 Kinder gemeinsam zu betreuen.

6. Gründung einer Bad Rappenauer Bürgerstiftung
Gut ein Drittel der Gemeinden im Kreis Heilbronn haben mindestens eine regional tätige Bürgerstiftung.
Bei den genannten Orten zeigt sich, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihr Geld zur Verfügung stellen, wenn sie von den Zielen und dem Wirken der Stiftung überzeugt sind.
Aus der Rendite des Kapitals werden meist verschiedene gemeinnützige Projekt vor Ort gefördert, die nicht aus dem städtischen Haushalt gefördert werden können.
In der Regel haben die Gemeinden in Absprache mit Banken und Sparkassen die Gründung der Stiftung initiieren, weshalb wir für Bad Rappenau ebenfalls solch eine Bürgerstiftung beantragt haben.   

7. Zum Schluss
Ich schließe meine Rede mit dem Schluss unserer ersten ÖDP-Haushaltsrede von 1994:
Zitat Anfang:
„Ich denke es erfordert viel Einsicht und Wagemut, neue Wege zu erproben und eingefahrene Geleise zu verlassen. Ich wünsche uns diese notwendige Einsicht und den Mut, damit wir nicht in alten Sackgassen steckenbleiben.
Wenn wir nicht wirklich zu einem Umdenken kommen, dann könnte es ausgehen wie jenem Frosch im Gleichnis:
Gleichnis vom Frosch:
Taucht man einen Frosch in einen Topf mit heißem Wasser, so versucht er rasend das Gefäß zu verlassen. Setzt man ihn jedoch in kaltes Wasser, welches nur langsam erhitzt wird, so lässt sich das Tier zu Tode kochen, ohne dass es sich besonders wehren würde.
Dieses Gleichnis charakterisiert treffend unsere Situation.
Viele Menschen merken nicht, wie Tag für Tag unsere Umwelt ein winziges Stück weiter zerstört wird, bis auf einmal die Lebensgrundlagen vernichtet sind.
Lassen Sie uns das verhindern!“ – Zitat Ende.

Vielen Dank Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Zurück