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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede Kreistag, 13. Dez. 2010, in Lauffen

Global denken - lokal und Global handeln !

1. Einleitung

Sehr geehrter Herr Landrat Piepenburg, werte Anwesende,

„Global denken, lokal handeln“ – dieser Spruch der Agenda-Bewegung in den 90ziger Jahren gilt seit der globalen Finanzkrise so nicht mehr. Hier haben amerikanische Finanzzocker das globale Finanzsystem an die Wand gefahren. Es zeigte sich, dass das globale Handeln mindestens genauso wichtig ist wie unser lokales Handeln hier im Landkreis.

Die Finanzkrise kam nicht aus heiterem Himmel. Dazu ein Zitat aus der ÖDP-Hauhaltsrede von 2004:

„Es scheint, als sei den gewählten Politikern weltweit längst das Steuer aus den Händen geglitten. Bisherige soziale, ökologische und demokratische Rahmenbedingungen werden ausgehebelt.

Dabei fordern gerade sogenannte konservative Politiker weitere Deregulierungen. Der Markt werde es schon richten. Diese bedingungslose Unterordnung unter den Markt, diese politikfreie Globalisierung hat katastrophale Folgen für unser Gemeinwohl, unsere Ökonomie und Ökologie.

Dabei heißt doch "konservativ" eigentlich erhaltend und bewahrend!“ Zitatende.

Dass unsere Ökonomie dann so schnell betroffen sein wird, das haben wir von der ÖDP dann auch nicht erwartet.

Diese Krise hat uns zwar erst mit Verzögerung im Haushaltsjahr 2011 erreicht, dafür aber um so heftiger. Neben der Frage, wie wir möglichst schnell die Krise überwinden, ist noch wichtiger, wie wir zukünftig solche Krisen verhindern. Wer dachte, dass die Politik nun eine echte Regulierung der Finanzmärkte einführt, der wurde enttäuscht. Fast schon vergessen sind die Forderungen nach der Einführung einer Transaktionssteuer – auch Robin Hood Steuer oder Tobinsteuer genannt. Diese geringfügige Umsatzsteuer von ein bis fünf Promille auf grenzüberschreitende Geldgeschäfte würde spekulative Kapitalflüsse stark reduzieren und nach Angaben der UNO zwischen 60 und 200 Milliarden Euro Einnahmen alleine für Deutschland bringen.

Was macht die Bundesregierung? Sie erlässt ein Gesetz zur Stärkung der Finanzaufsicht. Mit der Folge, dass in unserem Sparkassenverwaltungsrat nur noch sogenannte Fachleute sitzen dürfen. Das ist nichts als Kosmetik. Ein wenig gesunder Menschenverstand wäre in der Vergangenheit oft wichtiger gewesen, als sogenannte Finanzkompetenz.
Für uns von der ÖDP ist daher eines sicher: Die nächste Krise kommt bestimmt. Umso mehr müssen wir uns auf unsere regionalen Stärken besinnen.

Dazu einige Beispiele für unseren Landkreis:

2. Energische Energiepolitik

Ein „Riese“ – das sind im Volksmund 1000.- Euro. Und gut 1000.- Euro gibt jeder Deutsche pro Jahr für Erdöl oder Erdgas aus dem Ausland aus. Also 80 Milliarden Euro bundesweit, in nur einem Jahr. Flöße dieses Geld in erneuerbar-heimische Energien und in Einsparmaßnahmen, würde dies ein ungeheueres Konjunkturprogramm entfachen:

Für Strom und Wärme von hiesigen Biogas- und Erdwärme-Anlagen, von Wind- und Wasserkraftwerken, von Solarzellen auf dem eigenen Dach.

Unsere Region hat, was die Sonnenscheindauer angeht, ein Platz an der Sonne. Jedes nach Süden ausgerichtete Gebäude des Landkreises sollte eine Fotovoltaikanlage besitzen.

Beim kompletten Vermieten unserer Dächer rechnen wir mit Einnahmen von über 20 000.- Euro pro Jahr. Noch ein Hinweis an die Bürgermeister: Achten sie bei neuen Gebäuden bzw. Baugebieten auf eine Nord-Süd-Ausrichtung. Nur so werden sich die Gebäude in Zukunft noch gut vermarkten lassen.

Das Auslaufen der Strom-Konzessionsverträge 2012 bietet für viele Kommunen die Möglichkeit, ihre Stromnetze und auch die Stromversorgung in die eigenen Hände zu nehmen. Diese Rekommunalisierung der Stromnetze bietet die Chance einer dezentralen und regenerativen Energieversorgung – weg von den bisherigen Monopolen.

Bei diese Umstrukturierung der Energieversorgung wünschen wir uns eine aktive, koordinierende Rolle des Landkreises – durch Information der Gemeinden bzgl. der Gründung von Stadtwerken und/oder Regionalwerken, durch Anregung von Kooperationen benachbarter Gemeinden, …. usw.

Der Kreis HN gehört zu den wenigen Regionen in Baden-Württemberg, in denen es keine kommunale Energieagentur gibt. Diese beraten Bürger und Unternehmer aber auch Kommunen unabhängig (!) über Energieeinsparung und den Einsatz regenerative Energien.

Dieser ÖDP-Antrag von 2007 zur Einrichtung einer solchen Agentur ist heute um so notwendiger, da sich die Solar- und Energie-Initiative Heilbronn aufgelöst hat.

3. Verkehrspolitik: Mehr Stadtbahn - weniger Autoverkehr

Ich weiss nicht wie es ihnen geht? Bei uns von der ÖDP liegen die Nerven beim Thema Stadtbahn Nord  inzwischen blank!

Zuerst vor einem Jahr die Diskussion seitens der Stadt Heilbronn, die Stadtbahn Nord aufgrund der finanziellen Belastungen um 2 Jahre zu verschieben. Dann kürzlich die Diskussion im Heilbronner Gemeinderat um eine Verlegung der Strecke!

Wir hoffen, dass wir in Zukunft vor solchen Überraschungen verschont bleiben, damit das Projekt nun endlich 2013 – genau 20 Jahre nach der Grundsatzentscheidung im Kreistag – zum Abschluss kommt.

Apropos: Überalterung der Gesellschaft:

Wir bitten zu prüfen, ob nicht zukünftig auch Toiletten in Stadtbahnwagen eingebaut werden können. Auf den Bahnhöfen fehlen diese Toiletten zunehmend und gerade für ältere Menschen, ist das ein Grund, auf eine Bahnfahrt zu verzichten.

Noch ein Vorschlag für ein verstärktes Marketing für den ÖPNV: Aktion Neubürgerkarte:

In Konstanz können Neubürger 2 Wochen lang ihre neue Heimat umsonst per ÖPNV testen. Ein Umzug ist oft eine einschneidende Zäsur im Verkehrsverhalten der Bürger. Das ist der richtige Moment um für alternative Verkehrsmittel zu werben.

Verwundert hat uns von der ÖDP der Aufruf der Bürgermeister der Region für Stuttgart21: Da steht zu lesen: S21 als die Chance für die Region! Begründung: Die Frankenbahn wird ab 2016 stündlich verkehren und die Bahnfahrt von Heilbronn zum Flughafen soll künftig statt 90 nur 50 Minuten betragen.

Hier wird ja nun so ziemlich alles in einen Topf geworfen und verrührt. Fazit: Mit S21 wird einfach alles besser!

Die Frankenbahn kommt auch bei stündlicher Fahrt mit dem bisherigen Kopfbahnhof aus. Beim Durchgangsbahnhof S21 können die Züge etwas schneller ein- und ausfahren als beim Kopfbahnhof, dies macht aber ein paar Minuten aus. Die Fahrtzeitverkürzung zum Flughafen kommt also nicht durch den Tunnel, sondern durch die Neubaustrecke nach Ulm.

Unser Fazit zu Stuttgart 21: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Oder mit den Worten von Klaus Arnold (VCD): „Stuttgart 21 ist die Lösung für ein Problem, das es nicht gibt!“

Bei Stuttgart21 haben wir von der ÖDP nie verstanden, warum gerade die konservativen, politischen Kräfte hier alles auf den Kopf stellen wollen.

Wäre es hier nicht angebrachter, den bestehenden Kopfbahnhof zu bewahren und zu erhalten. Vielleicht liegt es auch daran, dass hier den konservativen und sparsamen Schwaben der Kragen platz.

4. Mehr regionaler Tourismus

Tourismusförderung ist regionale Wirtschaftsförderung. Neben diesen ökonomischen Vorteilen, gibt es aber auch eine Fülle ökologischer Vorteile:

* Ein Urlaub in der Region mit Radfahren und Wandern ist erheblich klimafreundlicher, als eine Flugreise.

* Ein regionaler Tourismus passt perfekt zur Vermarktung von regionalen Produkten – Beispiel Wein, am besten natürlich Öko-Wein.

* Ein nachhaltiger Tourismus braucht eine intakte Kultur- und Naturlandschaft. Bei der Ausweisung von Schutzgebieten haben wir sicher noch Nachholbedarf. Zum Beispiel der Neckar als „Landschaftspark“ wäre eine weitere Aufwertung für wandernde und fahrradfahrende Touristen.

Apropos Radtourismus:

Die Radbranche geht davon aus, dass in den nächsten 10 Jahren 50 Prozent der Radtouristen mit E-Bikes unterwegs sind. Der zuschaltbare Elektromotor ermöglichst zudem ein entspanntes, gelenkschonendes Radeln, was gerade älteren Radlern zugute kommt.

Der Landkreis Schwäbisch Hall hat das Thema bereits aufgegriffen und ist dabei, Verleih- und Akkuwechselstationen aufzubauen. Wir denken, dies wäre auch für unseren Landkreis eine tolle Sache.

5. Mehr Demokratie wagen

Stuttgart21 ist für uns auch ein Beispiel für eine Politik über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg.

Wir fragen uns: Wie können wir die Bürgerinnen und Bürger stärker in das Kreisgeschehen einbinden.

Für mehr Bürgernähe sorgt sicher der neue Internetauftritt des Landkreises.

Doch es gibt nichts, was nicht noch zu verbessern wäre.

Das Internet bietet auch die Chance, dass Bürgerinnen und Bürger leicht Einblick in die öffentlichen Sitzungsvorlagen nehmen können. Wir bitten die Verwaltung, diese Möglichkeit zu prüfen.

Im Kreis Esslingen haben die Bürger in jeder 2. Sitzung Gelegenheit, Fragen zu Angelegenheiten des Landkreises zu stellen. Wir finden, eine nachahmenswerte Angelegenheit.

6. Mehr Zukunft mit weniger Schulden

Die Schulden des Bundes, der Länder und Kommunen werden in diesem Jahr um 4.481 Euro pro Sekunde steigen, so stark wie nie zuvor. Die öffentlichen Haushalte stehen mit 1,7 Billionen Euro in der Kreide. (Quelle: Bund der Steuerzahler) Dazu ein Rechenbeispiel:

Angenommen man würde für 1,7 Billionen Mark Häuser kaufen, zu jeweils 250 000.- Euro pro Haus. Dann erhielte man 6,8 Millionen Häuser. Wäre jedes Haus 10m breit, könnte man eine Reihenhaussiedlung errichten, die fast zwei Mal den Äquator umspannt (68 000 km).

Die Neuverschuldung des Landkreises von 8 Mio. Euro sind in Zeiten der Krise sicher akzeptabel. Was mehr erschreckt ist die Verdopplung der Schulden bis 2014 auf 95 Mio. Euro, was dann gerade mal für 380 Reihenhäuser entspricht.

Eine Kreisumlage von 32,5 % halten wir deshalb für angemessen

Besser wäre gewesen, die Kreisumlage im letzten Jahr weniger zu senken, um die zukünftigen Erhöhungen abzufedern und durch den Schuldenabbau Zinsen zu sparen.

Auch haben wir von der ÖDP in der Vergangenheit immer mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben angemahnt. Wir denken da an den für uns nicht notwendigen Neubau des Landratsamtes für 26 Mio. Euro, der die Verschuldung weiter noch oben trieb.

Wir erwarten, dass gerade diejenigen, die damals für den Neubau gestimmt haben, nun dem Landkreis die Erhöhung der Kreisumlage nicht verwehren, also sich für eine Erhöhung aussprechen.

7. Wirtschaftsförderung: High-Tech-Zukunftspark:

Die Landes-Statistiker in Stuttgart errechneten für den Landkreis Heilbronn einen enorm gestiegenen Innovationsindex. (entspricht der Innovationsfähigkeit einer Region).

Die Stadt Heilbronn plant mit EU-Födermitteln im Gebiet Wohlgelegen einen Wissenschafts- und Technologiezentrum WTZ für hochspezialisierte Wachstumsunternehmen.

Wir sehen in dieser Art der Innovationsförderung auch ein Betätigungsfeld für den Landkreis. Zum Beispiel durch die Einrichtung von dezentralen Technologieparks im Landkreis, jeweils auf die örtliche Situation zugeschnitten.

8. Politik für Familien und Jugendliche:

Mit sinkenden Kinderzahlen dürfen wir uns nicht abfinden. Eine familienfreundliche Politik auf allen Ebenen kann und wird diesen "Trend" umkehren.

Einen guten Anfang hat der Landkreis mit dem Projekt „Frühe Familienhilfe“ gesetzt, um der Vernachlässigung von Kindern unter drei Jahren entgegenzuwirken. .

Wir schlagen weiterhin vor, dass zukünftig alle Entscheidungen der Kreisgremien darauf geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf Familien haben.

Diese Familienverträglichkeitsprüfung soll dazu beitragen, die Bedürfnisse und Interessen von Familien bei kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozessen einzubeziehen mit dem Ziel, Familien zu stärken und zu unterstützen.

Die Meldungen über das Koma-Saufen bei Kindern - und insbesondere bei Mädchen - wollten in diesem Jahr nicht abreißen.

Im Landkreis gibt es bereits eine Fülle von Projekten zur Suchtprävention wie zum Beispiel das Projekt HaLT gerade für komatös betrunkene Jugendliche.

Eine nachahmenswerte Aktion vom Landkreis Göppingen:

Hier wurden 31 junge Erwachsene geschult, die zukünftig zu Zweit an Fahrschulen gehen, um dort mit den Fahrschüler über Alkohol im Straßenverkehr zu reden. Die Idee dabei ist, dass sich junge Menschen von Gleichaltrigen oft mehr sagen lassen, als von Erwachsenen.

9. Schluss

Zum Schluss noch eine weitere Anregung: Wie sieht der Landkreis in 20 oder gar 50 Jahren aus?

Wie verändern sich die Rahmenbedingungen und was sind die Auswirkung auf die Landkreispolitik?

Was bedeutet die Überalterung der Gesellschaft oder die Weiterentwicklung des Internet?

Wir sollten uns mit diesen Fragestellungen beschäftigen, um vorbereitet zu sein.

In der Hoffnung, dass unsere kostengünstigen Vorschläge aufgegriffen werden, werden wir dem Haushalt zustimmen. Danke fürs Zuhören!

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Ökologisch-Demokratische Partei / Familie und Umwelt (ödp)

Kreisrat Klaus Ries-Müller,                                                               
Asternweg 1, 74906 Bad Rappenau, Fon 07264/205662

Kreisrat Horst Freiherr von Gemmingen-Guttenberg, Dammhof 7, 75031 Eppingen, Fon 07262/7755