Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 02.12.2013, in Bad Rappenau - Querdenken!
1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Landrat, werte Anwesende,
Wir sind die Region der Weltmarktführer. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es mehr Weltmarktführer auf einem Fleck wie in der Region Heilbronn-Franken.
Wieso ist das so? Das liegt auch daran, weil hier viele Unternehmer einmal quer gedacht haben. Sie haben nicht das gemacht was alle machen, sondern mit neuen Ideen neue, passende Produkte für den Weltmarkt geschaffen. Viele dieser hartnäckigen Querdenker haben unsere Region vorangebracht.
Bei der letzten Prognosstudie wurde diese Innovationsfähigkeit auch unseres Landkreises explizit gelobt.
Auch nach der Finanzkrise zeigte sich unsere Wirtschaft relative robust, was sich in hohen Steuereinnahmen und geringen Arbeitslosenzahlen ausdrückt.
Trotz oder gerade wegen diese wirtschaftlichen Stärke sehen wir von der ÖDP aber auch Gefahren und Risiken für die Zukunft im Landkreis. Sind wir für die zukünftigen Herausforderungen wirklich gerüstet?
Wichtig ist, wir dürfen uns nicht einfach entspannt zurücklehnen. Wie schnell man ins Mittelfeld abrutschen kann, zeigt unser Bildungssystem, das sicher vor Jahrzehnten noch führend war, aber inzwischen von den skandinavischen und einigen asiatischen Ländern überholt wurde.
Die größte Gefahr ist, dass wir uns auf dem Erreichten ausruhen. Was wir brauchen sind immer wieder neue Ideen und Querdenker, die diese Ideen voran treiben.
Aber nicht nur in der Wirtschaft auch für die Politik und Gesellschaft sind Innovationen, neue Ideen wichtig. Auch in der Politik schläft die Konkurrenz nicht: Die Konkurrenz zwischen den National-Staaten, aber auch zwischen Landkreisen oder Gemeinden.
Einige solcher quergedachten Ideen für den Landkreis wollen wir von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) nachfolgend vorstellen.
2. Energie und Geld sparen - Klima schützen
Es waren die Querdenker von damals, die unsere Energiewende vor über 2 Jahrzehnten eingeleitet haben. Die „Spinner“, die sich damals eine Photovoltaikanlage aufs Dach bastelten. Und es war dann ein quergedachtes, innovatives Gesetz zur Einspeisevergütung (EEG) von regenerativ erzeugtem Strom, das Investoren Planungssicherheit gab. Die großen Stromversorger lachten damals bestenfalls drüber.
Und heute?
Ein aktuelle Studie der Schweizer UBS Bank AG empfiehlt den Verkauf der Aktien dieser Stromversorger. Der Grund: Der Umsatz bricht weg. Die Kunden werden sich in Zukunft immer mehr selber versorgen, mittels Photovoltaik und Batteriespeichertechnik.
Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme ISE haben heutige Photovoltaik-Freiflächenanlagen Stromgestehungskosten von an die 8 Cent/kWh, kleine Aufdachanlagen von 14 Cent/kWh. Damit liegen sie weit unter dem durchschnittlichen Haushaltsstrompreis von 29 Cent/kWh.
Das heißt, auch der Landkreis könnte viel Geld sparen, würde er auf den noch freien Dachflächen der Landkreisgebäude seinen Strom mittels PV-Anlagen erzeugen. Je nach Gebäudenutzung sollte auch die Einbindung eines Batteriespeichers angedacht werden.
Das wäre doch ein tolles Leuchtturm-Projekt für unseren neuen Projektleiter Energie und Klima.
Wir hoffen, dass unser neuer Energiekoordinator auch mal quer denkt und sich an neue innovative Ansätze herantraut. Zum Beispiel: Heizen mit der Abwärme von Abwasser oder den Einsatz neuer Speichersystem für Wärme und Strom.
Eine sehr gute Ideensammlung ist ja bereits vorhanden. Wie wäre es, diese mit einem Bürger-Energie-Ideen-Wettbewerb weiterzuführen. Ein Beispiel aus der Metropolregion Rhein-Neckar: Gesucht werden Ideen, die eine Steigerung der regionalen Wertschöpfung durch erneuerbare Energien ermöglichen.
Noch ein Vorschlag aus dem Rhein-Neckar-Kreis: Dort hat der Abfallwirtschaftsbetrieb (AVR Energie) Vertreter der Gemeinden zu einem Klimaschutz-Workshop eingeladen. Vielleicht wäre so ein – neudeutsch – kickoff-Workshop auch ein guter Einstieg bei uns.
3. Solide Finanzen – Vorsorgen statt Nachsorgen
Besser als erwartet verliefen die beiden letzten Haushalts-Jahre. Auch der neue Haushalt beruht auf dem Prinzip Hoffnung, dass es so weitergeht mit den Steuereinnahmen. Und dass hoffentlich die 17,6 Mio. Euro neuer Schulden dann doch nicht kommen.
Das ist ein riskantes Spiel, die Konjunktur verläuft in Zyklen. Auch hier sollten wir mal querdenken: Sind wir auf einen neue Krise richtig, finanziell vorbereitet? Es kommen auch wieder schwächere Jahre mit höheren Schuld-Zinsen und in diese gehen wir dann mit einem Schuldenstand von 85 Mio. Euro (Ende 2014).
Wir von der ÖDP meinen: In guten Zeiten besser vorsorgen statt später nachsorgen!
4. Nachhaltiger Verkehr: 4.1. Stadtbahn
2002 – vor 11 Jahren – traf sich der Kreistag das letzte Mal in Bad Rappenau. Wir von der ÖDP hatten damals einen Prüfantrag gestellt, damit die Stadtbahn noch bis 2008 zur Landesgartenschau nach Bad Rappenau kommt.
Es hätte alles so gut gepasst. Gleich hier am Kurpark - mitten in Gartenschaugelände - war ein Stadtbahnhalt geplant. Heute gibt es diesen Halt aber immer noch nicht. 2014 soll er endlich gebaut werden. Hätte mir damals jemand gesagt, dass es so lange dauert, ich hätte ihn als Pessimisten beschimpft.
Wie lief dies beim Neubau der Krebsbachtalbahn vor über 100 Jahren?
Die Krebsbachtalbahn fährt nicht weit von hier durch Obergimpern von Neckarbischofsheim kommend.
1898 gab es eine erste Projektstudie. Der Beginn der Bauarbeiten war im März 1902. Sieben Monate später im gleichen Jahr wurde die Strecke eröffnet, 4 Jahre nach der Projektstudie. Und dies trotz erheblicher Erdbewegungen auf der 17 Kilometer langen Strecke mit über 30 Brücken.
Eine unvorstellbar kurze Zeitdauer beim Blick auf die Stadtbahn Nord: 1994 wurde das Gesamtkonzept mit dem Nordast im Kreistag beschlossen. Wenn alles gut geht, dann fährt die Stadtbahn endlich im Dezember 2014 – genau 20 Jahre später.
Wir begrüßen, dass bei HNV darüber nachgedacht wird, die touristisch interessante Krebsbachtalbahn mittels Zubringerbussen besser anzubinden – zum Beispiel aus Richtung Mosbach.
Geht es ihnen auch so, dass sie sich beim Lesen der Zeitung die Augen reiben, weil sie nicht glauben wollen, was da steht. Da werden Stadtbahnwagen ausgeliefert, die keine Zulassung für unsere Strecke haben. Während Insider dies wohl schon vor einem Jahr wussten, wurden wir im Kreistag und das Landratsamt erst durch die Pressemeldungen aufgeschreckt.
Nun haben wir auf der Strecke Neckarsulm – Heilbronn erst mal einen sogenannten Notfahrplan.
Uns von der ÖDP interessiert dabei besonders, ob mit dem Hersteller schon über Strafzahlungen geredet wurde? Für uns eine logische Konsequenz, denn es wurde nicht das geliefert, was bestellt wurde.
Die Zugpendler auf der zukünftigen Strecke der Stadtbahn Nord werden nächstes Jahr auf eine harte Probe gestellt und großenteils auf den Bus umsteigen müssen.
Als Entschädigung und auch um neue Kunden zu werben, schlagen wir eine kostenlose Schnupperwoche vor - nach der Einweihung der neuen Stadtbahnlinie Nord.
Nach der Stadtbahn Nord muss es weitergehen. In Richtung Zabergäu oder auch in Richtung Böllingerhöfe – um unseren Vorschlag vom letzten Jahr zu wiederholen. Es ist wichtig, hier weitere Eisen im Feuer zu halten, falls es zukünftig neue Zuschüsse gibt. Richtung 2019 sind neue Vereinbahrungen zwischen Bund und Land zum GVFG geplant. Da müssen wir mit fertigen Plänen und ausgearbeiteten Konzepten bereit stehen.
4.2. HNV (Heilbronner · Hohenloher · Haller Nahverkehr GmbH):
Bisher einzigartig in Baden-Württemberg und innovativ ist das E-Ticket des HNV. Doch ist das System auch zukunftsfähig?
Bis 2022 ist die Barrierefreiheit im ÖPNV gesetzlich vorgeschrieben. Es gilt dann u. a. das 2-Sinne-Prinzip. Da hat unser E-Ticket zur Zeit ein Problem! Wie soll ein Sehbehinderter erkennen, ob seine Karte registriert wurde – ohne Tonsignal. Wir befürchten dann 2022 teuere Umstellungsmaßnahme – einmal ganz abgesehen von den heutigen Nachteilen für Sehbehinderte.
So ein E-Ticket wäre eine gute Basis zur Weiterentwicklung unseres Verkehrsverbundes zu einem Mobilitätsverbund, der dann verschiedene Verkehrsmittel vereint: vom Taxi zum Leihfahrrad, vom Miet(elektro)auto bis zum Carsharing Angebot – und dies alles aus einer Hand mit einer elektronischen Kundenkarte.
5. Krankenhaus:
„Viele Kliniken werden selbst zum Patienten“, so titelte vor ein paar Tagen die RNZ.
So schlimm ist es bei den SLK-Kliniken zwar noch nicht, aber es sind nicht wenige Landkreise, die mit Millionen Finanzspritzen ihre Kliniken stützen: Aktuellstes Beispiel aus dem Neckar-Odenwaldkreis mit über 6 Mio. Euro Zuschuss pro Jahr. Oder der Klinikverbund Südwest der Landkreis Böblingen, Calw und der Stadt Sindelfingen mit über 30 Mio. Euro. Hier wurde sogar ein Notlagentarif sprich Lohnkürzungen für die Mitarbeiter gefordert.
Wir von der ÖDP gehen davon aus, das die SLK-Kliniken wohl nicht wie geplant ein Viertel der Investitionen für die großen Klinikneubauten selbst aufbringen können und wünschen uns – vorsorglich - die Ausarbeitung eines Plan B, sprich eines Finanzierungskonzepts.
6. Politik für Familien:
Es ist erschreckend wie respektlos inzwischen gegen Eltern hergezogen wird, die ihre Kinder in den ersten 3 Jahren zuhause erziehen wollen. Beim Betreuungsgeld wird dann von Herdprämie und Schnapsgeld gesprochen.
Wir von der ÖDP fordern als Anerkennung der gesellschaftlich wichtigen Aufgabe der Kindererziehung eine entsprechende finanzielle Absicherung – also ein Erziehungsgehalt, das über das Betreuungsgeld hinausgeht. Nur so gibt es eine echte Wahlfreiheit für die Erziehenden.
Dazu ein schon älteres Beispiel aus dem Landkreis Karlsruhe. Als präventive Jugendhilfe-Maßnahme wurde eine “Kreis-Eltern-Kind-Initiative” (KEKI) gestartet. Der Landkreis versucht hier bei jungen Familien, die Erziehungs- und Familienkompetenz in den ersten Lebensjahren zu stärken. Wir bitten, dieses Projekt auf eine Übertragbarkeit auf den Landkreis Heilbronn zu prüfen
7. Zusammenarbeit Stadt und Landkreis verbessern:
Wie gesagt, manchmal reibt man sich beim Lesen der Zeitung die Augen – kann es sein was hier steht?
Da kommt es zu einem Gesteinseinbruch in einer Sondermüllkammer im Salzbergwerk Die Information – auch der Landkreisverwaltung – erfolgt zunächst ausschließlich über die Medien – zunächst über Medien aus der Schweiz.
Dies führt dann schnell zu Spekulationen, gerade auch weil hier die wirtschaftlichen Verquickungen groß sind. Die Stadt Heilbronn ist mit 47% Hauptaktionär, neben dem Land mit 45% (Südwestdeutsche Salz AG). 2012 wurden rund 8 Mio. Euro mit Einlagerungen verdient. (Segment „Entsorgung“)
Die Kommunikation zwischen Stadt und Landkreis ist hier verbesserungsfähig. Wir bitten dies als Anregung an die Verwaltung zu verstehen, um sich über zusätzliche Kommunikationspfade Gedanken zu machen.
Hier gibt es weitere Themen, bei denen quasi nicht regelmäßig über vorhandene Gremien ein Austausch erfolgt sind die Abfallwirtschaft und der Klimaschutz.
8. Förderung von Querdenken/ern bzw. innovativen Start-ups:
„Junge Kreative entern Seecontainer-City“ – so beschreibt die RNZ eine aktuelles Projekt in Karlsruhe. Dort arbeiten in einer alten Halle in 70 echten See-Containern u. a. Absolventen der Hochschule und Institutsmitarbeiter, um Produktideen zu verwirklichen. Die Container sind großteils bereits belegt.
So eine Zukunftswerkstatt wäre doch auch was für uns im Landkreis – vielleicht in Neckarsulm, der heimlichen Hauptstadt des Landkreises.
Noch ein letzter Vorschlag:
Wie wäre es mit einem Querdenkerpreis an Unternehmer im Landkreis, die sich mit neuen Ideen im gesellschaftlichen Bereich hervorgetan haben - zum Beispiel mit Ideen zum Meistern des demographischen Wandels.
9. Schluss
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Bertrand Piccard, ein Schweizer Wissenschaftler, Solarpionier und Querdenker:
„Ich suche mir immer Leute, die mir sagen: ‚Was du machst, ist total bescheuert. Denk noch mal nach.’ So kommen gute Ideen zustande.“
Bertrand Piccard umkreiste als erster Mensch die Erde in einem Ballon. Das aktuelle Projekt „Solar Impulse“ von Piccard ist die Erdumrundung mit einem speziell dafür gebauten Solarflugzeug.
Für 2014 ist eine Erdumrundung in mehreren Etappen ausschließlich mit Sonnenenergie geplant.
Das Ziel des Projekts ist, die Menschen für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Nutzung und Förderung von Erneuerbaren Energien zu sensibilisieren.
In der Hoffnung, dass unsere kostengünstigen Vorschläge aufgegriffen werden, werden wir dem Haushalt zustimmen. Danke fürs Zuhören!