Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 03.12.2012, in Neckarwestheim: Der Landkreis-Baum
Von starken Wurzeln über Stamm und Äste zur prächtigen Krone!
1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Landrat Piepenburg, meine Damen und Herren,
„Kein anderes Geschöpf ist mit dem Geschick der Menschheit so vielfältig, so eng verknüpft wie der Baum.“ (Zitat Historiker Alexander Demandt)Das ist Grund genug, weshalb wir von der ÖDP heute den Baum zur Veranschaulichung unserer Ideen und Konzepte benutzen. Ein Baum ist durch starke Wurzeln geerdet. Aus diesen entspringt ein fester Stamm, dieser verzweigt in starke Äste, die eine Krone mit vielen Blättern und Früchten tragen.
2. Die Wurzeln: Die Goldene Regel!
Die fest verankerten Wurzeln bilden das Fundament, auf dem alles fußt.
Diese Wurzeln entsprechen der „Goldene Regel“, die besagt, dass wir bei jeder politische Entscheidung nicht nur an uns selbst denken, sondern auch an die zukünftigen Generationen und solidarisch an alle Menschen weltweit, die Natur mit eingeschlossen.
3. Der Stamm: Die Mitarbeiter/innen!
Der Stamm steht für die Mitarbeiter/innen in den Kreiseinrichtungen, in der Verwaltung, in den Krankenhäusern oder Schulen. Ohne eine kompetente und unabhängige Verwaltung, ohne motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geht gar nichts.
Dies bekommen wir aktuell in Griechenland vor Augen geführt, wo ein hilfloser Staat es nicht einmal schafft, Steuern einzuziehen.
Was motiviert Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am meisten? Entsprechende Untersuchung sagen, an erster Stelle steht - erstaunlicherweise - nicht das Einkommen. Langfristig motiviert am meisten, wenn Mitarbeiter in Entscheidungen eingebunden sind und sich selber einbringen können.
Ein Möglichkeit dafür sehen wir in der Einführung eines Vorschlagswesens, bei dem Mitarbeiter Anregungen und Verbesserungen einreichen können. Bei verschiedenen Verwaltungen ist dies bereits üblich, wie bei der Stadt Heilbronn. Für entsprechende Kosten sparende Vorschläge winken den Mitarbeitern Prämien, Anerkennung oder auch Sonderurlaub.
Dass bei Behörden ein hoher Nachholbedarf besteht, zeigt nachfolgende Statistik: Bsp. Autoindustrie: 114 Vorschläge auf 100 Mitarbeiter, Behörden 0,3 Ideen auf 100 Mitarbeiter.
Wir bitten, die Einführung eines solchen Vorschlagswesens beim Landratsamt zu prüfen. Auch die Krankenhäuser könnten sich hier anschließen.
4.1 Ast 1: Solide Finanzen – Vorsorgen statt Nachsorgen!
Ein wichtiger, kräftiger Ast steht für solide und nachhaltige Finanzen:
Trotz Rekordsteuereinnahmen haben wir eine Rekordneuverschuldung. Alleine 2013 wird durch 23 Mio. an neuen Darlehen der Schuldenstand auf 82 Mio. Euro steigen.
Das dann noch die Kreisumlage gesenkt werden soll, ist für uns von der ÖDP nur als Wahlgeschenk an die Bürgermeisterfraktion zu verstehen.
Die Erhöhung der Kreisumlage auf 31% wird auf 2015 verschoben. Trotzdem steigen die Schulden weiter - bis 2015 auf 115 Mio. Euro. Diese Politik, die alles auf die Zukunft verschiebt, tragen wir nicht mit. Besser vorsorgen statt nachsorgen!
Leider ist der Landkreis hier keine Ausnahme: Die IHK (Industrie- und Handelskammer) hat die Finanzen der Städte in der Region untersucht. Fazit: Trotz erheblicher Mehreinnahmen, die Schulden steigen. „Das könnte sich rächen, wenn sich die Konjunktur wieder abschwächt,“ so IHK-Hauptgeschäftsführerin Elke Schweig. Dem können wir uns von der ÖDP nur anschließen.
Wir stellen deshalb den Antrag, die Kreisumlage bereits 2013 um 1 Punkt auf 31 % zu erhöhen.
Die würde die Neuverschuldung von 23 Mio. Euro um 8 Mio. auf immer noch verbleibende 15 Mio. Euro senken.
Neben der konjunkturellen Unsicherheit sehen wir neue finanzielle Herausforderungen:
Im Juni 2012 hat der Bundestag den Fiskalpakt und den ESM Europäischen Stabilitätmechanismus beschlossen, inklusive einer harten Schuldenbremse für Bund und Länder. Die Kommunen sind dabei nicht direkt einbezogen. Jeder kann sich ausmalen was passiert, wenn bei Bund und Land die bequeme Politik des Schuldenmachens quasi verboten wird: Weitere Aufgaben werden ohne finanziellen Ausgleich nach unten verlagert.
Noch 2 unkonventionelle Vorschläge zur Verbesserung der Finanzen:
- Unter anderem Naturschutzverbände werben gezielt um Spenden durch Erbschaften. Gerade vermögende Personen ohne Nachkommen sind hier aufgeschlossen. Warum nicht auch eine Erbschaft für den Landkreis? Wir garantieren, dass die Mittel für ökologische und/oder soziale Zwecke im Sinne des Spenders verwendet werden.
- Klamme Kommunen in NRW wollen die Gewinne der lokalen Sparkassen „anzapfen“ (Financial Times Deutschland, 9.5.2012). Teilweise gibt es hier bereits entsprechende Zahlungs-Vereinbarungen (Beispiel Wuppertal). Rechtlich sicher ein Graubereich, da die Kommunen nur die Träger, aber nicht die Eigner der Sparkassen sind. Wir bitte die Verwaltung diese Entwicklung zu beobachten. Vielleicht tun sich hier neue Finanzquellen auf.
4.2 Ast 2: Energie-Wende 2022
Wir freuen uns, dass das Thema Energieeinsparung und Klimaschutz im Landkreis deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Es wurde auch langsam Zeit! Bei der regenerativen Stromerzeugung liegt der Landkreis Heilbronn abgeschlagen bei nur 12%, also rund bei der Hälfte des Bundesdurchschnitts. (=20%, siehe DGS: www.energymap.info)
Das bisher erarbeitete Aktionsprogramm Energie & Klima ist eine gute theoretische Basis, die es in die Praxis zu überführen gilt.
Generell sehen wir von der ÖDP den Schwerpunkt in der Umsetzung der Maßnahmen für die eigenen Liegenschaften. Mit dem Ziel, die Liegenschaften des Landkreises spätestens (!) im Jahre 2022 zu 100% mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Die neue Stelle eines Ansprechpartners/in für Energie und Klima sollte nach innen wie ein ökologischer Rechnungsprüfer wirken, der sich bei allen Vorhaben des Landkreises einbringt.
Erst im 2. Schritt sehen wir die Wirkung als Multiplikator nach außen: Nach dem Motto:
Tue Gutes und rede davon, damit es andere – wie Gemeinden, Private und Gewerbetreibende - genauso machen!
Wünschenswert sind auch Kooperationen mit Instituten, Schulen, Betrieben, Gemeinden und/oder Nachbar-Kreisen. Dazu ein Beispiel aus der Nachbarschaft:
5 Landkreise aus der Metropolregion Rhein-Neckar beschließen eine energiepolitische Kooperation (RNZ, 26.5.2012) Mit dabei ist auch das Fraunhofer-Institut als Netzwerkpartner.
Wir sollten uns nicht scheuen auch neue, innovative Ansätze zu testen:
Beispiel: Im Ruhrgebiet wird geprüft, Bergwerke als Pumpspeicherwerke zu nutzen. Im Landkreis haben wir doch auch (Salz-) Bergwerke!
4.3 Ast 3: Nachhaltiger Verkehr
HNV:
Die Öffis boomen – noch nie sind in Deutschland so viele Personen mit Bus und Bahn gefahren wie 2011. Zu diesem Zuwachs hat sicher auch der HNV beigetragen.
Es freut uns, dass unser Vorschlag eines elektronischen Tickets mit automatischer Buchung nun umgesetzt wird. Dies ist besonders für die 7,5 Millionen Gelegenheitsfahrer eine echte Vereinfachung.
Das wird neue Fahrgäste bringen, genauso wie das geplante Sozialticket. Übrigens ein ÖDP-Vorschlag aus dem Jahre 2009 (siehe Haushaltsrede). Die Kölner Verkehrsbetriebe haben gezeigt, dass man mit einem Sozialticket sogar Geld verdienen kann.
Neue Kundengruppen dürfte auch eine kostenlose Schnupperwoche für Autofahrer bringen. Dies haben die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sehr erfolgreich durchgeführt. Unter dem Motto „Schluss mit dem Benzinpreis-Wahnsinn – Jetzt umsteigen!“ konnten Autofahrer bei Vorlage einer Autozulassung eine Woche kostenlos den ÖPNV benutzen.
Für die Zukunft wünschen wir von der ÖDP den HNV als Mobilitätsdienstleister, der zum Beispiel in Kooperation mit Carsharing-Unternehmen auch Fahrzeuge (dann möglichst Elektrofahrzeuge) anbietet. In Ulm kann man zum Beispiel bei der Daimlertochter Car2Go per Handy Leihfahrzeuge buchen.
Die neue Medien bieten hier neue Chancen der Vernetzung von Individual- und öffentlichem Verkehr.
Stadtbahn:
Nach der Stadtbahn Nord muss es weitergehen. Wir sind gespannt auf das ÖPNV-Gutachten für das Zabergäu. Dieses Ergebnis, das ja für Anfang 2013 zugesagt ist, sollten wir abwarten, bevor wir weitere Schritte beschließen.
Es ist wichtig, das Eisen „Erweiterung der Stadtbahn“ im Feuer zu halten.
Auch eine Stadtbahnstrecke zu den Böllinger Höfen halten wir langfristig für bedenkenswert. Auf den Böllinger Höfen arbeiten bereits 4500 Beschäftigten, Tendenz stark steigend.
Es ist wichtig, rechtzeitig Pläne im Schreibtisch zu haben, die dann im rechten Moment gezückt werden können. Dazu ein älteres Zitat zum Zabergäu vom früheren AVG (Albtal-Verkehrsgesellschaft) Chef Dieter Ludwig: (HST 7.12.2005)
"Meine Erfahrung zeigt, dass wir ein ewiges Auf und Ab im ÖPNV haben. Bis es mit der Strecke soweit ist, vergehen mindestens 5 Jahre. Wer weiß, wie unser Staat dann steht? …. Wenn uns der Mut verlässt, sind wir am falschen Arbeitsplatz. Die Heilbronner sollen klug sein und das Projekt vorantreiben in der Hoffnung, dass es dann wieder Geld gibt."
Enttäuscht sind wir von den neuen Stadtbahnwagen, die bei der Stadtbahn Nord zum Einsatz kommen. Positiv formuliert: Äußerst schlicht! (siehe stadtbahn.wordpress.com/category/hnv/)
Im Vergleich sind die modernen Doppelstockwagen vom gleichen Hersteller eine andere Klasse: Bequeme Sitze, Armlehnen, Tischgruppen, viel Platz und vor allem mehrere Toiletten pro Zug.
Diese Fahrzeuge sollen zwischen Neckarelz und Heilbronn von den neuen Stadtbahnen ersetzt werden. Ein echter Komfort-Rückschritt für die dortigen Fahrgäste!
4.4 Ast 4: Mehr Demokratie wagen
Demokratie heißt für uns auch mehr direkte Demokratie, wie die direkte Wahl von Landräten durch die Bürger/innen im Landkreis. Wir bedauern, dass unsere nächste Wahl im Landkreis nicht direkt ablaufen wird - trotz entsprechender Ziele im Grün-Roten Koalitionsvertrag.
Mehr Demokratie heißt auch mehr Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis: Unsere Landkreis-Homepage ermöglicht den Bürgerinnen und Bürger einen einfachen Zugriff auf die öffentlichen Sitzungsvorlagen. Wir denken, dass dies gar nicht allgemein bekannt ist. Vielleicht eine Aufgabe für die Pressestelle.
Oder eine andere Anregung aus den Bodenseekreis: Der Internetservice „Sag’s doch“!
Mit wenigen Klicks kann man hier Vorschläge und Kritik loswerden. Besonders interessant: Im Internet kann man den Bearbeitungsstatus des Anliegens jederzeit nach verfolgen. (www.sags-doch.de )
4.5 Ast 5: Politik für Familien:
Bei der Förderung von Familien hat sich einiges getan. Es fehlen aber noch oft flexible und qualifizierte Betreuungsangebote.
Hier übernehmen Tagesmütter eine wichtige Aufgabe. Diese Plätze kommen für die Kommunen auch erheblich günstiger, als die Einrichtung von Kindertagesstätten. Der Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte verursacht Kosten bis zu 36 000.-, für einen Platz bei einer Tagesmutter fallen 7000.- Euro an. Paradoxerweise kostet eine Tagesmutter für die Eltern oft das Doppelte eines Platz in einer Kindertagesstätte.
Deshalb halten wir von der ÖDP die Förderung der halben Stelle (ca. 31500.- Euro) des TagesKinder-Vereins Region Heilbronn für wichtig.
Noch ein Vorschlag vom Landratsamt Schwäbisch Hall. Dort wurde ein Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet. Dieses bietet Mütter und Väter die Möglichkeit, ihren beruflichen Verpflichtungen nachkommen zu können, wenn sie kurzfristig keine Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind haben.
5. Zum Schluß: Die Baum-Krone: Vision 2022
Zum Schluß zu unserer Vision für den Landkreis. Sozusagen zur Baumkrone, die sich ausweitet und viel Früchte hervorbringt und für einen Lebensraum mit hoher Lebensqualität sorgt.
Der Landkreis hat Spitzenplätze in der Wirtschaftskraft, beim Steueraufkommen, beim Innovationsindex (HST 27.11.2012) - wir sind die Region der Weltmarktführer.
Beim Einsatz regenerativer Energie, beim öffentlichen Fern- und Nahverkehr haben wir noch viel aufzuholen.
Hier wünschen wir uns einen Landkreis, der sich bis 2022 komplett regenerativ selbst versorgt.
Ein enges und eng getaktetes Stadtbahnnetz bis Lauffen und bis ins Zabergäu. Und wir wünschen uns bis 2022 einen ICE Halt in Heilbronn.
Zum Schluß noch ein Zitat, das die eingangs erwähnte Goldene Regel sehr schön aufgreift:
„Eine Kultur blüht, wenn Menschen Bäume pflanzen, in deren Schatten sie niemals sitzen werden.“ (Griechisches Sprichwort)
Es gibt dafür sicher viele gute Ansätze im neuen Haushalt. Die hohe Neuverschuldung wollen wir allerdings nicht mittragen und werden deshalb den Haushalt ablehnen.