Antrag / Anfrage / Rede
Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 07. Dez. 2020, in Neckarwestheim - Von der Corona- zur Klimakrise!
1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Landrat Piepenburg, meine Damen und Herren,
Die Corona Pandemie ist in aller Munde. Darüber ist die Klimakrise aus dem Blick geraten.
Dabei sind die Parallelen zwischen der Corona- und der Klimakrise frappierend:
Bei der Corona-Pandemie haben wir einen Verzögerungseffekt durch die Zeitdauer bis zum Ausbruch der Krankheit (Inkubationszeit) und durch die Symptomlosigkeit mancher Infizierter.
Ohne Maßnahmen kommt es zu einem Lawineneffekt und als Folge zum Kollaps der medizinischen Versorgung.
Ähnlich beim Klima: Wer hier bei den Klimaschutzmaßnahmen zögert, den trifft es später umso härter. Besonders dann, wenn Klimakipp-Punkte überschritten werden: Wenn die Permafrostböden auftauen, die Eiskappen schmelzen, dann kommt es zu einer nicht mehr zu stoppenden Entwicklung und zum Kollaps durch einen Temperaturanstieg von über 5 °C.
Die Lehre daraus:
Richtiges Timing ist alles! Man muss handeln bevor die Sache eskaliert!
Der Corona-Virus hat gezeigt: Die Realität wird uns sonst einholen - auch beim Klimawandel!
Dabei wird die Klimakrise Umwälzungen bringen gegen die die Corona-Krise ein Witz ist.
Davor warnen Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten!
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu Corona gesagt: „Die Maßstäbe unseres politischen Handelns ergeben sich aus dem, was uns Wissenschaftler und Experten sagen.“ (Zitat Ende) Das gilt noch viel mehr für die Klimakrise.
Zum Klimapaket der Bundesregierung ein Zitat des Klimaforschers Professor Schellnhuber:
„Stellen Sie sich vor, wir würden gegen die exponentielle Virus-Dynamik mit einer Corona-Steuer vorgehen, die erst 2021 eingeführt würde und dann ganz gemächlich anstiege – absurd. Aber nichts anderes machen wir gegenwärtig beim Klimaproblem.“ (Zitat ende)
Hier und da ein bisschen Klimaschutz reicht nicht! – auch nicht bei uns im Landkreis.
2. Energie und Geld sparen - Klima schützen
Wenn wir Energie einsparen und erneuerbare Energien - wie Sonne oder Biomasse - ausbauen, bleibt unser Geld in der Region und fließt nicht zu den Ölscheichs in Saudi-Arabien, die damit den weltweiten Terror finanzieren.
In Deutschland haben über 90% der Dächer keine Photovoltaikanlage. Im Landkreis Heilbronn sieht es nicht besser aus: Bei der Solarstromerzeugung liegt der Landkreis mit Rang 22 (von 35) weit hinten in Baden-Württemberg mit 0,15 m2 pro Einwohner. Den Spitzenplatz hat der Landkreis Sigmaringen mit mehr als 3 Mal so viel PV-Fläche pro Einwohner (0,53m2).
Deshalb unser Antrag für ein 1000 x 1000 – Dächer Solar-Förder-Programm.
Der Kreis Düren (NRW) hat 2019 eine entsprechende Förderung gestartet und unterstützt mit je 1000.- Euro die Installation von Photovoltaikanlagen für zunächst 1000 Dächer.
Es wurden damit Investitionen von insgesamt 16 Millionen Euro ausgelöst, ein Großteil davon ging an Unternehmen vor Ort. Klimaschutz geht nur mit konkreten Investitionen vor Ort!
Aufgrund des Erfolges wurde das Programm für 2020 und 2021 noch mal aufgelegt.
(https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/61/Photovoltaik.php bzw. https://www.kreis-dueren.de/klimaschutzprogramm )
Weiterhin wünschen wir uns von der ÖDP die Erstellung eines Solaratlas für den Landkreis Heilbronn. Vorbild sind hier die Kreise Ravensburg, Karlsruhe, Sigmaringen, Biberach oder der Bodenseekreis.
Der frei zugängliche Solaratlas beinhaltet wichtige Informationen zum Solarpotential aller Häuser im Landkreis (Motto: „Auch Ihr Dach kann mehr!“). Mit einem „Klick“ auf Ihre Dachfläche erfahren Interessierte, wieviel Energie Sie durch eine Photovoltaikanlage gewinnen können, was eine Anlage kostet und wie hoch die Wirtschaftlichkeit wäre. (www.ea-rv.de/solaratlas)
Was dazu der Landkreis bisher anbietet (wie den Solaratlas der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) ist wenig brauchbar.
Zurück zum Kreis Düren: Der Kreistag hat dort einstimmig beschlossen ab 2035 klimaneutral zu sein, die Kreisverwaltung ab 2025.
Wie eine solche CO2-freie Energieversorgung mit hoher regionaler Wertschöpfung aussehen könnte, kam man heute schon im Rhein-Hunsrück-Kreis (Rheinland-Pfalz) betrachten. Der Kreis produziert schon heute 3 Mal so viel Strom, wie er selber braucht. Eine CO2-neutrale Energieversorgung ist möglich, wenn die politisch Verantwortlichen es wollen und rechtzeitig mit der Umsetzung anfangen.
Experten aus über 50 Staaten haben sich dies im Rhein-Hunsrück-Kreis bereits angeschaut.
Wie wäre es mit einem Ausflug des Kreistages nach Rheinland-Pfalz, um uns vor Ort ein Bild zu machen. (Entfernung 190 km).
Renaissance für alte Philosophie
Die Philosophie, die hierbei zu Grunde liegt, stammt von dem Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818–1888), welcher ab 1848 für vier Jahre als Bürgermeister im rheinland-pfälzischen Ort Flammersfeld wirkte. „Das Geld des Dorfes dem Dorfe“ entspricht dem Ziel, das heute als „Regionale Wertschöpfung“ bezeichnet wird.
3. Nachhaltiger Verkehr:
Nicht nur unser Energiesystem auch unser Verkehrssystem bedarf einer Verkehrswende zu einem CO2-freien, nachhaltigen Verkehr.
- Brennstoffzellenbusse für den Überland-Verkehr:
200 Brennstoffzellenbusse sind inzwischen im Rahmen von EU-Projekten (JIVE und JIVE2) bestellt. Die ersten 50 Busse sind schon im Betrieb. (Stand: 2.11.2020) Hoffentlich auch bald im Kreis Heilbronn. Fördergelder sind - nach Aussage der Verwaltung - beantragt.
Im Überland-Verkehr ist ein mit grünem Wasserstoff angetriebener Linien-Bus sicher im Vorteil zu einem Batterie-Elektro-Bus.
- Batterie-Elektrobusse für den städtischen Verkehr:
Über 500 Batterie-Elektrobusse fahren inzwischen – nein nicht im Kreis Heilbronn – nein die 500 E-Busse fahren bereits in dem doch so „rückständigen“ Moskau.
Und in der Region der Weltmarktführer?
Wann werden endlich die Diesel-Busse, die den ganzen Tag im Stop- und Go-Verkehr in der Stadt unterwegs sind, auf Elektroantrieb umgestellt?
Das Thema bringen wir von der ÖDP nun schon seit 5 Jahren in den Haushaltsreden. Inzwischen gibt es milliardenschwere Förderprogramme. Doch wir kaufen lieber neue Dieselbusse, die spätestens in 5 Jahren nichts mehr Wert sein dürften!
- Mobilitäts-App: Alle Angebot inklusive Bezahlung aus einer Hand
Der Karlsruher Verkehrsverbund KVV verknüpft alle Mobilitätsanbieter der Region in einer App: Motto: „Regiomove – Alles außer beamen“. (siehe unter https://vm.baden-wuerttemberg.de/wmm)
Das wäre doch auch was für den HNV!
- Stadtbahn:
Vor 140 Jahren (1879) wurde die Kraichgaubahn eingeweiht. Bauzeit von Karlsruhe-Grötzingen bis Eppingen: 2 Jahre!
Bei Blick auf die Zabergäubahn: Da reichen 2 Jahre nicht mal für die Durchführung einer „standardisierten Bewertung“!
Trotzdem brauchen wir kurzfristig die Streckenerweiterungen im Zabergäu und langfristig im Bottwartal und im Krebsbachtal.
4. Schulen:
Unser berufliches Bildungswesen ist vorbildlich aufgestellt.
Damit das in Zukunft auch so bleibt, ist es dringend geboten, dass der Neubau (oder die Sanierung) der Kreisberufsschule in Böckingen mit Hochdruck vorangetrieben wird.
Auch hier können wir nicht mehr so bauen wie bisher:
Das Kreisberufsschulzentrum sollte gleich als Netto-Nullenergie-Gebäude geplant werden. Ein Vorbilder dafür: Die Louise-Otto-Peters-Schule in Hockenheim. Die Schule produziert mehr Energie als sie selber verbraucht.
5. Müll vermeiden:
Pilotbetrieb mit elektronischer Biomüllkontrolle
In der Biotonne landet noch zu viel Restmüll und sonstige Fremdstoffe.
Wir von der ÖDP haben deshalb einen Pilotbetrieb mit einer automatischen Fremdstoff-Detektion am Sammelfahrzeug beantragt. (System eine Firma aus Tübingen, Maier & Fabris GmbH).
Der Probetrieb sollte mit einer verstärken Öffentlichkeitsarbeit verbunden werden: Motto: „Verschmutzter Biomüll bleibt stehen!“
Vielleicht kann auch ein System leihweise eingesetzt werden.
Die vom Abfallwirtschaftsbetrieb vorgeschlagene Berücksichtigung bei der Ausschreibung 2024 kann dann auf fundierten eigenen Erfahrungen basieren.
Eine weitere, sofort mögliche und einfache Maßnahme sollte ebenfalls geprüft werden:
Erkennen die Müllabholer, die die Biotonnen sowie öffnen, gleich oben auf liegenden Restmüll, so sollte die Tonne gleich stehen bleiben.
6. Zum Schluss
Prof. Schellnhuber schreibt in seinem Buch „Selbstverbrennung“: „Das Raumschiff Erde steuert geradewegs ins Feuer hinein.“ Allerdings ist sei noch nicht zu spät:
Für geeignete Maßnahmen gebe es noch einen Zeitraum von 10 Jahren, so Prof. Schellnhuber.
Wenn wir allerdings nicht wirklich zu einem Umdenken kommen (in Taten wohlgemerkt, und nicht in Worten), dann werden die gefürchteten Kipppunkte überschritten und es gibt kein Zurück mehr! Das ist wie bei einer Wippe: Zunächst passiert lange nichts, aber irgendwann ist der Kipppunkt überschritten.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Wolfgang Schäuble für die Zeit nach Corona (9.9.20 RNZ: „Jetzt ist die Gelegenheit zu tiefgreifenden Veränderung“).
„Wir müssen zu einem maßvolleren Leben zurückfinden. … ob wir alte Fehler wiederholen oder ob wir aus Übertreibungen der Globalisierung in der Vergangenheit lernen. Ob wir bereit sind zur tief greifenden Veränderung. Wir haben jetzt die Gelegenheit, als Europäer die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell und für einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stellen. Diese Chance sollten wir gemeinsam nutzen. Mit Zuversicht!“
Die ÖDP wird dem Haushalt zustimmen.
Danke fürs Zuhören!