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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede zur Kreistagssitzung 16. Dez. 2024, in Untereisesheim - „Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns.“ Dr. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Gründer der Stiftung Gesunde Erde-Gesunde Menschen

Kreisrat Klaus Ries-Müller aus Bad Rappenau bei der Haushaltsrede

Kreisrat Klaus Ries-Müller aus Bad Rappenau bei der Haushaltsrede

1. Einleitung:
„Was Sie hier hören, ist das Ticken einer Uhr. Wir befinden uns im letzten Countdown, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Und die Zeit ist nicht auf unserer Seite,“ so António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen bei der letzten Klimakonferenz in Baku (Nov. 2024).
Am 12.12.2015 (also fast genau vor 9 Jahren) hat Deutschland der Pariser Klimaschutz-Abkommen zur Einhaltung des 1,5°C Ziels unterschrieben. Von der Einhaltung des 1,5°C Ziels sind wir in Deutschland und auch weltweit noch meilenweit entfernt.
Und wie sieht es bei uns im Landkreis aus?

2. Streichung des Förderprogramms für Balkonkraftwerke:
Das bisher einzige Förderprogramm für Klimaschutz wird nach gut einem Jahr Laufzeit nicht verlängert. Mit bescheidenen 100 000.- Euro wurden 1000 Balkonkraftwerke mit je 100.- Euro gefördert.
Für uns von der ÖDP ein fatales Signal für die Öffentlichkeit: Klimaschutz fällt in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten als erstes hinten runter.
„Klimagelder sind keine Almosen, sie sind ein Investment. Klimaschutz ist keine Option, es ist eine Pflicht“, um noch mal António Guterres zu zitieren.
Gerade jetzt ist es wichtig, Balkonkraftwerke weiterhin zu fördern, da viele Menschen auch weniger Geld in der Tasche haben!
Das Programm hat durch seine unbürokratische Umsetzung viel Lob erhalten und war damit auch eine gute Werbung für die Landkreisverwaltung.
Das riesige Potential für eine Energiewende im Kleinen, auch für Mieter, ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Bei rund 250 000 Balkonen und Terrassen im Landkreis ist das Potential riesig. Herr Landrat Heuser hat die CO2 Einsparung in seiner Haushaltsrede eindrücklich dargelegt.
Kurz nach der Haushaltsrede musste man dann erstaunt in der Zeitung lesen, dass die Förderung nicht weitergeführt wird.

Wir haben deshalb die Weiterführung beantragt. Die Diskussion zu diesem Antrag hat uns von der ÖDP dann noch mehr erstaunt.
Es hagelte viele Todschlagargumente, die immer bei allen Förderungen vorgebracht werden können:
Da gäbe es Mitnahmeeffekte, also Leute, die sich sowieso ein Balkonkraftwerk kaufen, nehmen das Geld einfach mit.
Nehmen wir nur mal als ein Beispiel die Wohnungsbauförderung: Inklusive 2025 sind inzwischen 9 Millionen Euro an Förderungen geflossen bzw. eingeplant. (Seit 2020 1,5 Mio. Euro pro Jahr).
Nach bald 10 Mio. Euro an Förderung, wäre es hier doch mal an der Zeit, einen Mitnahmeeffekt zu prüfen, bevor man hier 100 000.- Euro (als 1% der Wohnungsbauförderung) für den Klimaschutz streicht!

Das nächste Todschlagargument: Das ist eine freiwillige Leistung, die wir uns aktuell nicht mehr leisten können. Die jährlich 1,5 Mio. Euro freiwillige Wohnungsbauförderung hatte ich schon erwähnt.
Oder ein anderes Beispiel: Das Thema Bevölkerungsschutz: 2022 wurden 2,4 Mio. kurzfristig außerhalb des Haushalts bereitgestellt. Alles kein Problem, wenn es um die Folgen der Klimakatastrophe geht und der Antrag von der CDU kommt.  
Genauso wie bei der einen oder anderen Freiwilligkeitsleistung, bei der wir in Summe weit über eine Million Euro kommen, wie z. B. Förderungen für Kultur, Musikpflege, Erwachsenenbildung oder Sport.

Nicht dass wir gegen diese Leistungen wären. Was uns von der ÖDP stört, dass bei einem Mini-Betrag für den Klimaschutz zuerst der Rotstift angesetzt wurde, obwohl der Klimaschutz in Sonntagsreden doch immer als wichtig dargestellt wird.  
Das ist inkonsequent.
Da ist für mich die AFD konsequenter: Den Klimawandel gibt es nicht, dann brauche ich auch keinen Klimaschutz. Da weiß man, wie man dran ist.

3. Photovoltaik (PV)-Module auf jedes Landkreisgebäude:
Dabei wäre alles so einfach gewesen:
Seit mehr als 15 Jahren weisen wir immer wieder daraufhin, alle Dächer von Landkreisgebäude mit Photovoltaik-Modulen zu belegen. 2022 wurde das PV-Potential (dann endlich) offiziell bestimmt:
1 Megaweatt peak (MWp) PV-Leistung könnten auf den noch freien Dächern erzeugt werden, was immerhin 80 Einfamilienhäusern entspricht!
Dadurch könnte rein rechnerisch ein Viertel des Stromverbrauchs der landkreiseigenen Liegenschaften gedeckt werden (1 Gigawattstunde von 3,9 GWh/pro Jahr).
Das würde zu jährlichen Einsparungen von 150 000.- Euro an Stromkosten führen.
Damit könnte locker die Finanzierung der Balkonkraft-Förderung bezahlt werden.  
(Annahme: Kosten: 10 Cent/kWh mit PV, Kosten pro eingekauft kWh: 25 Cent, Einsparung 15 Cent/kWh.)

4. Die richtigen Vorbilder bzw. Vorreiter-Kommunen suchen:
Schauen wir mal was andere machen? Bsp.: Stuttgart:
Unter dem Motto #jetztklimachen wurde die Förderungen für Balkonkraftwerke gerade von 100 auf 200 Euro erhöht. Während wir die Förderung streichen, wird sie in Stuttgart verdoppelt!

PV-Dachanlagen werden mit 350 bis 450.- Euro pro KWp (Kilowatt Peak) gefördert, Stromspeicher mit 300 Euro/kWh (Kilowattstunde) und Ladepunkte mit bis zu 1000.- Euro.  
Daneben gibt es ein Energiesparprogramm, ein Heizungsaustauschprogramm, ein Plusenergieprogramm, ein Wärmepumpenprogramm, ein Wärmenetzanschluss-Programm und die Aktion Gerätetausch (mit einer Art Abwrackprämie von bis zu 150 Euro für alte Haushaltsgeräte)
Weitere Programme wie zur Mobilität, ein Grünprogramm oder den Klimainnovationsfond sollen hier auch erwähnt werden.  

Dazu passt eine aktuelle Pressemeldung der Stadt Stuttgart:
Die städtischen Liegenschaften sollen bis 2030 ohne fossile Energien versorgt werden. Dafür stellt der zukünftige Doppelhaushalt zusätzlich 50 Millionen Euro bereit.
Solche konkreten Angaben und Zielvorgaben würden wir uns auch von der Landkreisverwaltung wünschen.


5. Öffentlichkeitsarbeit als wichtige Aufgabe für die Klimaschutzagentur:
Man wundert sich, da gibt es in Stuttgart auch einen #jetztklimachen-Preis mit dem Engagement für Klimaschutz gewürdigt wird, ähnlich zu unserem beantragten Klimahelden-Wettbewerb.
50 Klimaschutz-Projekte aus unterschiedlichsten Bereichen hatten sich 2023 beworben.

Wir wundern uns, weil unsere Klimaschutzagentur solche Preise für nicht mehr zeitgemäß hält.
O.k. man will mehr im Internet machen. Auch gut!
Uns von der ÖDP ist es da zunächst mal egal, wie und wo die Öffentlichkeit für mehr Klimaschutz motiviert wird. Wichtig ist nur, dass es in der Breite passiert und viel Öffentlichkeit niederschwellig damit angesprochen wird.
Warum dann solch eine Internet-Aktion erst 2026 gestartet werden kann, erschließt sich uns nicht.
Da der Landkreis Heilbronn als einer der letzten Landkreise eine Klimaschutzagentur gegründet hat, gibt es viele gute Beispiel für eine effiziente und erprobte Öffentlichkeitsarbeit, die von anderen zeitnah übernommen werden könnte.

6. Noch kurz zu unseren Krankenhäusern, zur SLK:
Die Anträge von Hr. Vollert von den LINKEN mögen alle mit guter Begründung von der Verwaltung abgelehnt werden. Wir werden dem allerdings nicht folgen, weil Sie einen wertvollen Beitrag dahingehend leisten, in der Krise auch mal Lösungen „out of the box“ zu suchen. Wenn beispielsweise das Fehlen von Fachkräften auf herkömmlichem Weg nicht zu beheben ist, dann muss man auch mal neue Wege beschreiten!

7. Zum Schluss
Der britische Klimaforscher Professor Ed Hawkins hat den Anstieg der Erdmitteltemperatur auf eine einfache Art in farbigen Streifen dargestellt, um so Ausmaß und Tempo des Klimawandels auf einen Blick verständlich zu machen.
Dargestellt werden dabei die Abweichungen der weltweit, mittleren Jahrestemperatur von 1900 bis heute (2024) – wie hier auf meiner Krawatte sichtbar.
(Dargestellt als Abweichung vom Mittel der Jahre 1850-1900.) (Quelle: Ed Hawkins/ClimateLabBook )   
Die Krawatte hatte ich 2019 hier bei der Haushaltsrede zum ersten Mal getragen.
Die inzwischen fehlenden 5 Jahre wurden entsprechend ergänzt und die Krawatte verlängert.
Die letzten 5 Jahre hatte die schlimmsten Erwartungen übertroffen.
Was auch auf der Krawatte deutlich sichtbar wird. Es gibt nur noch dunkle Rot-Töne.

Die im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten 1,5 °C wurden bereits 2023 erreicht. 2023 war das weltweit heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung.
In 2024 gehen die Experten davon aus, dass es noch heißer war bzw. wird und dass die 1,5 °C klar überschritten werden.

Wir wünschen Ihnen, dass sie die Weihnachtszeit als Ladestation für Leib und Geist nutzen und das Jahr 2025 - trotz allem - mit großem Optimismus und Zuversicht angehen. Wir werden die beiden Eigenschaften in Zukunft dringend brauchen.

Ich bedanke mich fürs Zuhören!